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CD LUDWIG van BEETHOVEN: LIEDER – MATTHIAS GOERNE, JAN LISIECKI; Deutsche Grammophon

„Von unendlich vielen Harmonien gibt es immer nur eine, die im Lied wirklich trifft.“ Beethoven

25.03.2020 | cd

CD LUDWIG van BEETHOVEN: LIEDER – MATTHIAS GOERNE, JAN LISIECKI; Deutsche Grammophon

 

„Von unendlich vielen Harmonien gibt es immer nur eine, die im Lied wirklich trifft.“ Beethoven

 

Sind Beethovens Lieder wirklich die am meisten vernachlässigte Spezies im seinem Schaffen? Gewiss ist, dass sie im Schatten von Schubert und Schumann stehen und die Sologesänge mit Klavierbegleitung zu den interpretatorisch heikelsten Pflanzen des Bonner Jubilars zählen. Da Beethoven in seinem Liedschaffen von den Gesetzen des Klaviers ausgeht und die Stimme trotz exquisiter melodischer Eingebung instrumental dazu führt, setzt das Klavier dem Sänger engere Schranken als dies etwa bei den genannten Frühromantikern der Fall ist.

 

Faszinierend an der vorliegenden Einspielung ist genau dieses Spiel und Gegenspiel im changierenden Primat von Singstimme und Begleitung. Jan Lisiecki ist nicht ein dem Sänger spurgenau folgender Diener der vokalen Kunst, er setzt dort wo es geboten ist, aus der Partitur gehobene, starke eigene Duftmarken in Rhythmik und musikalischer Wirkung. Das macht gerade die langen Strophenlieder so ungemein lebendig und dialektisch anregend. Lisiecki webt in vollkommener lyrischer Übereinstimmung und gemeinsam mit dem Sänger Phrasen samt märchenhaften Rubati, aber er fordert zudem den vokalen Bögen Einhalt gebietend vom Sänger Disziplin und  bisweilen Zurückhaltung ein. 

 

Matthias Goerne ist im Olymp des Liedgesangs gelandet. Wie Robert Holl ist Goerne ein dunkel timbrierter Bassbariton eigen, der stimmliche Fülle mit einer exemplarischen Wortdeutlichkeit und -ausdeutung verbindet. Wie Holl ist Goerne ein kompromisslos dem innersten Gehalt der Poesie in Wort und Klang verpflichteter Künstler, dem Wahrhaftigkeit im Ausdruck über Wohllaut geht. Doch auch davon hat Goerne mit seiner samtenen Mittellage und herb schokoladig timbrierten Stimme genug zu bieten. 

 

Das Programm dieses wohl einen Höhepunkt im Beethoven Jahr markierenden Albums beginnt mit den weniger bekannten „Sechs Liedern“ Op. 48 nach Gedichten von Christian Fürchtegott Gellert. 1802 im Jahr des Heiligenstädter Testaments vollendet, handelt der Zyklus religiösen und metaphysischen Fragen nachspürend letztlich „von der Angst des Menschen, ob ihm am Ende seines Lebens eine Erlösung gewährt oder verweigert wird.“ Von den nachfolgenden elf Liedern ragen besonders die Kompositionen „Gesang aus der Ferne“ und „Maigesang“ heraus. Dass sogar Goerne bei dem dichten, auf die Bedürfnisse eines Sängers nicht Rücksicht nehmenden Aufbau einmal atemtechnisch an seine Grenzen stößt, zeigt das Lied „An die Hoffnung“

 

Die CD schließt mit dem Zyklus „An die ferne Geliebte“, Op. 98 nach Gedichten des Medizinstudenten und Hobbydichters Alois Jeitteles. Goerne geht dem Gedanken nach, dass „die ferne Geliebte nicht eine räumlich entfernte Person ist, sondern eine bereits gestorbene. So wird der Hügel, auf dem das singende Ich sitzt, zum Grab der entfernten Geliebten.“ Die transzendente, auf den Sinn von Kunst zielende Botschaft ist zeitlos und berührt heute wohl ebenso wie zur Zeit ihrer Entstehung: „Nimm sie hin denn, diese Lieder, die ich dir, Geliebte, sang, singe sie dann abends wieder zu der Laute süßem Klang. … Dann vor diesen Liedern weichet, was geschieden uns so weit, und ein liebend Herz erreichet, was ein liebend Herz geweiht.“ 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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