CD LUDWIG van BEETHOVEN: KÖNIG STEPHAN – LEIF SEGERSTAM dirigiert das Turku Philharmonic Orchestra; NAXOS
Beethoven forever: Welch freudige Überraschung selbst für die, die alles zu kennen und zu haben glauben. Neben der einzigen Oper „Fidelio“ (der angedachte „König Lear“ kam nie zustande) hat Beethoven selbstverständlich mit weiteren Werken seinen Beitrag zur (Wiener) Theaterszene geleistet: Schauspielmusiken bzw. Lieder oder Arien, die in die Arbeiten anderer Komponisten eingeschoben wurden. Es handelte sich überwiegend um Auftragsarbeiten, von irgend etwas musste auch ein Beethoven leben.
Beethoven schrieb die Musik zu „König Stephan, Ungarns erster Wohltäter“, Op, 117 nach einem Text von August Friedrich Ferdinand von Kotzebue im Sommer 1811 in Teplitz. Das lobhudelnde Stück mit einer grandiosen Ouvertüre, ausgedehnten Sprechpassagen, einem pompösen Sieges- und einem religiösen Marsch, Chören und melodramatischen Szenen, war als Epilog anlässlich der Eröffnung eines Theaters in Pest konzipiert.
Worum geht es in dem kaiserlichen Huldigungswerk? Der herrschende Kaiser, umgeben von ungarischen Adeligen, preist Frieden und die Ehre Gottes. Während der Ansprache hebt sich der Nebel und der Chor huldigt dem Licht über Pest. Ein Soldat bringt die Nachricht von der Niederlage Gyulas. Der Gefangene wird nach dem Übertritt zum Christentum begnadigt. Ein Abgesandter aus Bayern kündigt die Hochzeit der bayerischen Prinzessin Gisela mit Stephan an. Schließlich krönt sich Stephan mit der goldenen Krone Roms und prophezeit Ungarn eine gloriose Zukunft. Selbst zu so einer hölzernen Vorlage konnte Beethoven himmlische Klänge beisteuern.
Die Musik enthält vieles von dem, was uns Beethoven so teuer macht und wohl auch bisweilen an Fidelio erinnert: Einen tief verwurzelten Idealismus, allumfassende Liebe, Großherzigkeit und Treue, eine heroische und dennoch so tief menschliche Klangrede. Der finnische Altmeister Leif Segerstam dirigiert das wunderbar in prachtvoll gedeckten Farben aufspielende Turku Philharmonic Orchestra. Das Key Ensemble, einer der besten Kammerchöre Finnlands, lässt, was höchste Chorkultur in Intonation, Reinheit der Stimmen, Ausgewogenheit der Gruppen und Deklamation anlangt, keine Wünsche offen. Claus Obalski (Stephan), Roland Astor (Soldat), Ernst Oder (Gyula) und Angela Eberlein (Gisela) verleihen ihren Sprechrollen Profil und Pathos.
Das Album wartet aber noch mit weiteren Raritäten auf: „Leonore Prohaska“, „Opferlied“, „Bundeslied“, „Ihr weisen Gründer glücklicher Staaten“, „Die gute Nachricht“ (Chor „Germania“) und „Die Ehrenpforten“ (Chor “Es ist vollbracht“).
Die beiden Beiträge Beethovens zu Friedrich Dunckers Tragödie „Leonore Prohaska“ bestehen aus einem Jägerchor und der von einer Harfe begleiteten Romanze „Es blüht eine Blume“. Leonore Prohaska war als Mann verkleidet der Armee gegen Napoleon 1813 beigetreten, als Trommler und Infanterist. Erst die tödliche Verwundung in der Schlacht von Göhrde deckte ihr wahres Geschlecht auf. Die lyrische Sopranistin Raetta Haavisto interpretiert mit dunkler, ein wenig gaumiger Stimme die simple Blumenarie.
Vom „Opferlied“ des Friedrich von Mattheson (im Musenalmanach 1790 erschienen) werden zwei von vier Fassungen vorgestellt. Das zweite aus dem Jahr 1822 für 3 Soli, Chor und Orchester ist ein Traum an Poesie und lyrischer Schönheit: Ein junger Mann sehnt sich im Gebet an Zeus nach Schönheit und Güte, in der Jugend wie im Alter. Den „Chor auf die verbündeten Fürsten“ hat Beethoven zu Ehren des Wiener Kongresses 1815 komponiert.
Die Solisten Johanna Lehesvuori (Sopran), Merja Mäkelä (Alt), Niklas Spangberg, Juha Kotilainen (Bässe) sowie der Chorus Cathedralis Aboensis lassen die Hymnen voller Emphase krachen, dem Beethoven‘schen Genie auch in solch peripherem Repertoire mit Ernsthaftigkeit und Intensität nachspürend.
Empfehlung!
Dr. Ingobert Waltenberger