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CD LUDWIG VAN BEETHOVEN: Klavierkonzerte Nr. 6 (Allegro Fragment), Nr. 2, Nr. 0 – SOPHIE-MAYUKO VETTER; PETER RUZICKA dirigiert die Symphoniker Hamburg, OEHMS Classics

Raritäten zum Kennenlernen

06.12.2019 | cd

CD LUDWIG VAN BEETHOVEN: Klavierkonzerte Nr. 6 (Allegro Fragment), Nr. 2, Nr. 0 – SOPHIE-MAYUKO VETTER; PETER RUZICKA dirigiert die Symphoniker Hamburg, OEHMS Classics

 

Raritäten zum Kennenlernen

 

Jubiläumsjahre eines großen Komponisten bieten die willkommene Gelegenheit, sich einmal mit Fragmenten oder weniger beachteten frühen Werken auseinanderzusetzen. Das vorliegende mit großem künstlerischem Engagement realisierte Album enthält als Weltersteinspielung das rekonstruierte und vervollständigte Allegro (6. Klavierkonzert) sowie neben dem bekannten „Zweiten“ (das vor dem „Ersten“ entstanden war) das „Nullte“ Klavierkonzert, von Beethoven im zarten Teeniealter höchste virtuos aufs Papier geworfen. 

 

Für viele Musikfreunde wird neu sein, dass Beethoven fünf Jahre nach Vollendung des fünften Klavierkonzerts noch einmal ein Kompositionsprojekt für Klavier und Orchester startete. Erhalten sind „lediglich“ 70 Seiten an Skizzen zu einem schnellen Satz und ein 256-taktiges Partitur Autograph auf 14-zeiligem Notenpapier. Aus der zunehmenden Lückenhaftigkeit, den Streichungen, übereinander gelagerten Korrekturen und erhaltenen parallelen Alternativfassungen schloss der britische Musikwissenschaftler Nicholas Cook, dass Beethoven mit dem Erreichten unzufrieden war. Cook vervollständigte jedoch den Torso, Hermann Dechant fügte dieser Rekonstruktion eine neue Kadenz und einen neuen Schluss hinzu. Dechant ist der Ansicht, dass Beethoven dabei war, das erste Klavierkonzert der Musikgeschichte in einem Satz zu präsentieren, bevor er das Konzert fallen ließ. Als Argument dafür sieht Dechant „neben der ungewöhnlichen Länge des Satzes (15 Minuten) Innovatives und formal Interessantes, wie z.B. dass motorische und lyrische Abschnitte sorgfältig ausbalanciert sind. Wie dem auch sei, wir hören hier auf jeden Fall einen faszinierenden musikalischen Scherenschnitt des späten Beethoven. Jeder kann sich hinzu fantasieren, wie das wohl geworden wäre, wenn…. 

 

Auf der anderen Seite der Skala servieren uns Sophie-Mayuko Vetter und Peter Ruzicka den Versuch des 14-jährigen Beethoven (1784) zu einem Klavierkonzert, dem sog. „Nullten“, WoO4. Erhalten ist nur eine von Beethoven handschriftlich revidierte Abschrift der Klavierstimme. Ähnliche einem Klavierauszug verfügen wir neben der Solostimme über Tutti-Passagen des Orchesters samt Instrumentierungsangaben. Musikalisches Vorbild war eindeutig Johann Christian Bach mit seinen Londoner Klavierkonzerten. 

 

Sophie-Mayuko Vetter spricht von „schwärmerischer Belcanto Manier“ der Musik, sie hätte beim Interpretieren Adelina Pattis Ornamentierungskunst von Bellinis „Norma“ im Ohr gehabt. Vetter spielt einen Hammerflügel von John Broadwood aus dem Jahr 1806 mit originaler Mechanik, ein ,zickig primadonnenhaftes Ding‘. Unbeschwert und flott charmant ist sowohl die Musik als auch die federnd tänzerische Interpretation. Kaum zu glauben, wie gewaltig Beethoven sich und die Musikgeschichte weiterentwickelt hat. Diese CD bildet dazu ein anschauliches Hörerlebnis, von allen Beteiligten vollklingend und in bester Spiellaune musiziert.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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