CD LUDWIG van BEETHOVEN: Klavierkonzert Nr. 1; RUDOLF BUCHBINDER, BERLINER PHILHARMONIKER, CHRISTIAN THIELEMANN; Deutsche Grammophon
Thielemann und Beethoven ist so ein Sache. Die Aufnahmen aller Symphonien aus den Jahren 2008-2010 mit den Wiener Philharmonikern waren künstlerisch durchwachsen. Er steht da nicht alleine da. Auch Simon Rattle oder ganz eminente Magier wie Sergiu Celibidache hatten so ihre liebe Not mit dem symphonischen Erbe des Bonner Meister.
Mit diesem ersten Klavierkonzert von Beethoven ändert sich die Rezeption nun schlagartig. In den Live Mitschnitt aus dem Jahr 2016 aus der Berliner Philharmonie hat ein genuin Mozart‘scher, wienerisch federnder Ton Einzug gehalten. Das wundervolle dreisätzige C-Dur Konzert Op. 15, in der Instrumentierung ganz der Rokoko Tradition folgend (Klarinetten kamen auch noch dazu), hat noch kaum je eleganter und pannonisch tänzerischer zugleich geklungen als hier. Man hält es kaum für möglich, wie die Berliner Philharmoniker unter Christian Thielemann burgenländisches Temperament und Haydn‘sche Beschwingtheit versprühen. Da hat sicher Rudolf Buchbinder seinen gehörigen Anteil.
Der Wiener Pianist hat Beethoven quasi mit der Muttermilch eingesogen. Mit sieben Jahren spielte er als damals jüngster Klavierstudent an der Wiener Universität für Musik die G-Dur-Variationen (WoO 77) und mit elf Jahren zum ersten Mal Beethovens Erstes Klavierkonzert. Die sechs Variationen für Klavier für ein eigenes Thema in F-Dur op. 34 wurden 2019 aufgenommen.
Rudolf Buchbinder gelingen im Klavierkonzert in C-Dur ungemein duftige, leicht schwebende Anschläge in der Manier von Géza Anda, wo er romantisch entrückte Schleier im Largo mit einer perlend hüpfenden Sachlichkeit und präzis gedrechselten Phrasen zu einem umfassenden Erlebnis zu verknüpfen vermag. Thielemann trägt Buchbinder mit den Berliner Philharmonikern auf Händen, das Orchester unterlegt den sanft einschmeichelnd bis lausbübisch kecken Klavierpart mit den Farben und Düften einer herbstlich sonnigen Weinlese. Leider enttäuscht Buchbinder in den Variationen, die (mir) zu derb und undifferenziert im Anschlag daherkommen. Das sehr direkte Klangbild aus dem Sendesaal Bremen verschärft noch das martialische Gehämmere.
Fazit: Für die Sternstunde des Klavierkonzerts aus 2016 lohnt sich die Anschaffung.
Dr. Ingobert Waltenberger