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CD LUDWIG van BEETHOVEN: Geistertrio, Erzherzogtrio – TRIO CHAUSSON; Mirare

Eine Wunderkerze für Ludwigs Geburtstagstorte

17.06.2020 | cd

CD LUDWIG van BEETHOVEN: Geistertrio, Erzherzogtrio – TRIO CHAUSSON; Mirare

Eine Wunderkerze für Ludwigs Geburtstagstorte

Die drei französischen Musiker Matthieu Handschoewercker (Violine), Antoine Landowski (Cello) und Boris de Larochelambert (Klavier) fühlen auf ihrem neuen Album mit zwei Spitzenwerken der Kammermusik, dem Geistertrio Op. 70Nr. 1, und dem Erzherzogtrio Op. 97 den inneren Antagonismen des Komponisten in einer biographisch schweren Lebensphase auf den Grund. Ihr kluger Ansatz ist, dass der durch die beginnende Taubheit völlig aus der Fassung gebrachte, innerlich vereinsamte Mensch Ludwig van Beethoven mit seinem Werk versuchte, sich einen persönlichen Weg aus dem Schatten zurück ins Licht zu bahnen.

Abgeschnitten von der Gesellschaft, aber ganz wild auf geselligen Kontakt, porträtiert Beethoven mit dem Geister- und dem Erzherzog-Trio diese romantische Zerrissenheit zwischen Intimität und Opulenz, Mysterium und Realität, aufgerieben durch innere Konflikte, Ohnmacht der Krankheit gegenüber und der Sehnsucht nach Frieden mit der Welt. In seinem an seine beiden Brüder gerichteten berühmtesten Brief, dem nie abgeschickten sog. Heiligenstätter Testament vom 6.10.1802, schrieb sich Beethoven seine Verzweiflung und wohl auch seine Selbstmordgedanken vom Hals. Keine Teilnahme mehr an delikatem Geflüster und wortreichem gegenseitigem Geturtel, dafür Isolation und inneres Exil.  

Das Chausson Trio, das seit 2018 in dieser Formation spielt, macht diesen emotionalen Zwiespalt zwischen der harten conditio humana und den Höhenflügen einer himmlischen Ekstase hörbar. Das Geistertrio, entstanden 1808 nach und mitsammen der fünften und sechsten Symphonie und dem vierten Klavierkonzert, ist der ungarischen Gräfin Marie von Erdödy gewidmet. Die beiden Ecksätze werfen einander als energetische Pfeiler das Echo einer quicken Trommel von wahrer Freude zu. Das ‚Largo assai ed espressivo‘, dem das Geistertrio seinen Namen verdankt, bildet dazu den maximalen Stimmungskontrast. Die drei Musiker tauchen in diese Shakespeare’sche Hexenszenerie einer in Wolken getauchten bergigen Waldlandschaft, wo die mystischen Zauberwesen auf krallenbewehrten Adlern landen. Die melancholische Musik, von ferne an Windharfen und Glasharmonika erinnernd, bleibt in einer traumverlorenen Vorahnung hängen.

In Beethovens letztem, viersätzigem Klaviertrio in B-Dur, seinem Schüler Erzherzog Rudolph von Österreich gewidmet, gibt es nichts Gespenstisches. „Heiteres Zutrauen, Gleichgewicht und Noblesse“ (Nicolas Dufetel) bestimmen den Kompass des 1811 fertig gestellten, 1814 um ein Scherzo erweiterten Werks. Eine fast schon orchestrale Sonorität ist dem im Dunstkreis der siebenten Symphonie entstandenen Trio eigen. Das Trio seufzt vor romantischer Sehnsucht, räkelt sich auf der klangvollen Suche nach dem Unendlichen. Das Trio Chausson spürt diesem unwiderstehlichen Drang nach, und enthüllt das Innerste Beethovens in den kleinsten Noten.  Besonders hat es mir der Pianist Boris de Larochelambert angetan, der mit einer Duftigkeit im Anschlag, einer nahezu schon erschreckenden Leichtigkeit in den Verzierungen Verborgenes durch die Evidenz der Einfachheit erlöst.

Das Album ist eine Kostbarkeit gegen die Mitte des Beethoven-Jahrs zu, voller deutscher Hintergründigkeit, konzeptuell französischem Esprit und bestechender Eleganz in der Ausführung.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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