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CD LUDWIG VAN BEETHOVEN „FIDELIO“ mit Lise Davidsen, Christian Elsner, Georg Zeppenfeld, Johannes Martin Kränzle, Christina Landshamer und Günther Groissböck; MAREK JANOWSKI dirigiert die DRESDNER PHILHARMONIKER; PENTATONE

05.07.2021 | cd

CD LUDWIG VAN BEETHOVEN „FIDELIO“ mit Lise Davidsen, Christian Elsner, Georg Zeppenfeld, Johannes Martin Kränzle, Christina Landshamer und Günther Groissböck; MAREK JANOWSKI dirigiert die DRESDNER PHILHARMONIKER; PENTATONE

Gute Besetzung, routiniertes Dirigat, spannungsarme Dialoge, uneinheitliche Tontechnik

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Ursprünglich waren konzertante Fidelio-Aufführungen samt einem Live-Mitschnitt für Tonträger vorgesehen, doch da hat die Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Da bekanntlich aber auch die Besten der Sängerzunft mangels offener Häuser und fehlenden Publikums durchaus unausgelastet waren, konnte der Altmeister für das große deutsche romantische Opernfach, Marek Janowski, für seine Fidelio Studio-Produktion (zwei Aufnahmesitzungen, die Chöre wurden später hinzugefügt) einige der aktuellen Opernstars zusammentrommeln.

Lise Davidsen hat die Rolle der Leonore 2020 schon am Royal Opera House Covent Garden London auf der Bühne gesungen und die große Arie „Abscheulicher, wo eilst du hin…“  auf ihrer jüngsten DECCA Solo CD erfolgreich präsentiert. Sie nennt einen breit geführten, dunklen, aber auch marmorn kühlen Spintosopran ihr Eigen, hat eine kernige Tiefe, eine robuste Mittellage und eine leuchtende Höhe, die spielerisch anspringt und selbst in höchsten Höhen noch rund und voll klingt. Rein gesangstechnisch ist sie wohl eine der besten auf Tonträger verewigten Rollenvertreterinnen. Was Ausdruck und die existenzielle Verinnerlichung der Rolle anlangt („Töt‘ erst sein Weib“ ist schön gesungen, aber dass es hier um Leben oder Tod geht, merkt der Hörer nicht), so besteht viel Luft nach oben. In den Dialogen agiert sie zaghaft, beinahe kleinlaut.

Florestan wird vom Routinier Christian Elsner mit gefühlvollen lyrischen Tönen, aber spröden, bisweilen unangenehm harten Höhen (,ins himmlische Reich‘ zu Ende der Arie „Gott, welch Dunkel hier“) interpretiert. Im Duett „O namenlose Freude“  ist die Fallhöhe zur jungen Davidsen besonders auffällig.

Die große positive Überraschung bietet Johannes Martin Kränzle, international als Beckmesser, Alberich und Gunther höchst erfolgreich unterwegs, als Don Pizarro. Die Arie mit Chor „Ha! Welch ein Augenblick!“ führt direkt in die rachelüsterner Seelen, und das ohne Übertreibung und löwenbrüllendes Geplustere. Der Endfünfziger verfügt über eine kernige, erstaunlich frische, charaktervoll timbrierte Stimme. Mit dem Pizarro gelingt Kränzle mit rein stimmlichen Mitteln ein profiliertes Rollenporträt der Sonderklasse.

Ebenso angenehm abseits jedes schenkelklopfend biedersinnigen Klischees gestaltet Georg Zeppenfeld den Rocco. Nicht väterlich selbstzufrieden, sondern ein wach sein Umfeld beobachtender Kopf ist dieser Rocco, der die Seinen schützt und dabei doch im Innersten ein mit untrüglichem Gerechtigkeitssinn ausgestatteter, mitfühlender Mitmensch ist. Günther Groissböck als Minister darf als eine ausgesprochene Luxusbesetzung gelten, der Top-Sänger wäre aber als Rocco besser aufgehoben gewesen.

Christina Landshammer als energisch selbstbewusste Marzelline und Cornel Frey als naiver Jaquino ergänzen das Ensemble.

Kaum zu glauben, aber es handelt sich beim gegenständlichen Album um den ersten Platten-Fidelio von Marek Janowski. Janowskis schon bei den letzten Opernproduktionen  („Freischütz“, „Hänsel und Gretel“) erkennbarer Hang zu oratorienhafter Statik lastet auch auf dieser Aufnahme. Die Dresdner Philharmonie und das Ensemble können trotz himmlisch luxuriösem Klang  kaum Theateratmosphäre vermitteln. An diesem Gesamteindruck vermögen auch die flotten Tempi zum Schluss des zweiten Akts nichts ändern. 

Zwei Chorensembles kommen bei dieser Patchwork-Aufnahme zum Einsatz. Die Männerstimmen zu Pizarros Arie „Ha! Ha! Ha! Welch ein Augenblick“ stammen vom MDR Rundfunkchor, die übrigen Chorstellen werden vom Sächsischen Staatsopernchor Dresden gesungen. 

Die Dialoge wurden von Katharina Wagner und Daniel Weber eingedampft, ohne dass dies irgendwie zu einer dramaturgischen Verbesserung oder größerer Schlüssigkeit beitragen würde.

Leider ist die Tontechnik höchst uneinheitlich. Die Mikros sind teilweise für die Solisten so ungünstig platziert, dass einige Arien in Relation zum sehr präsenten Orchester hallig und distant wie aus einem fern gelegenen Tunnel klingen. Das fällt besonders bei der Arie der Leonore im ersten Akt, aber auch bei Florestan-Arie auf. Aber auch das Finale leidet akustisch unter einem Hall, der der Wirkung der Musik abträglich ist.

Der Katalog ist voll an packenden Fidelio-Einspielungen (von Furtwängler über Klemperer bis zu Böhm und Karajan). Mir fällt kein plausibler Grund ein, warum diese Aufnahme besonders empfehlenswert sein sollte. 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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