Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD LUCIANO BERIO „TRANSFORMATION“ – Bearbeitungen von Bach, Boccherini, Brahms, Mahler, de Falla und Lennon/McCartney; SONY

24.11.2019 | cd

CD LUCIANO BERIO „TRANSFORMATION“ – Bearbeitungen von Bach, Boccherini, Brahms, Mahler, de Falla und Lennon/McCartney; SONY

„Ich leihe mir Zitate aus dem Museum der Vergangenheit und vermische sie mit meiner eigenen Musik.“ Gesagt, getan. Auf der neuen CD des Sinfonieorchesters Basel dirigiert Ivor Bolton Transkriptionen des Italieners für Orchester. Traditionalist, Klangpionier, Romantiker, in diebischer Freude verspielter Notenjongleur? Von allem ein wenig. Berio befasste sich auch mit dem fragmentarischen Nachlass mancher Komponisten, wie den Skizzen zu Schuberts 10. Symphonie, die unter dem Namen „Rendering“ Anerkennung fanden. Irgendwie kann man Berios Arbeit mit derjenigen eines Bildrestaurators vergleichen, der versucht, nicht unnötig in die Substanz einzugreifen, aber Altes mit eigenen Farben auffrischen und zudem die Kontraste schärfen möchte.

Das glückt mal besser, mal weniger gut. Ganz und gar nicht für gelungen erachte ich Berios Bearbeitung von Bachs Contrapunctus XIX. für 23 Instrumente, entstanden in Memoriam an den Dirigenten Giuseppe Sinopoli. Nichts ist mehr übrig von der vergeistigten Leichtigkeit der Fuge, die Instrumentierung wirkt wie ein schwerer Schokoguss, die schwer auf dem Magen liegt. Das Stück scheint nicht von der Stelle zu kommen. Dafür gelingen Berio und auch den Interpreten des Albums gut verdichtete orchestrale und vokale Aneignungen von Manuel de Fallas „Siete canciones populares españolas“ (Sophia Burgos, Sopran aus Puerto Rico) und von acht der insgesamt 11 für ein spätromantisches Orchester instrumentierten frühen Liedern Gustav Mahlers.

Letztere gehören zu den Berio-Klassikern. Ins Aufnahmestudio mit den Wunderhorn-Liedern nach Berio sind etwa Andreas Schmidt, Roderick Williams oder Matthias Goerne gegangen. Auf der CD singt der junge deutsche Bariton Benjamin Appl sieben Wunderhorn Stücke plus „Frühlingsmorgen“ nach einem Text von Richard Leander. Der Lied- und Konzertsänger Appl, stilistisch ein genuiner Nachfahre von Fischer-Dieskau, ist längst schon im internationalen Klassikbetrieb eine verlässliche Konstante. Appl verschmilzt als Liedsänger Wort und Ton in vorzüglicher Art und Weise, formt mit seinem hellen höhesicheren lyrischen Bariton elegante Phrasen und macht sich jeden poetischen Gedanken ganz genuin zu Eigen. Ein Sänger der Sonderklasse. Der einsame Gipfel der doch insgesamt flachen CD.

Neben Luigi Boccherinis „Quattro versioni originali della ‚Ritrata Notturna di Madrid“ darf als gedacht gewichtigster Teil des Albums die Orchestrierung der Sonate Op. 120 Nr. 1 für Klarinette und Klavier von Johannes Brahms gewertet werden. Berio betätigte sich hier u.a. mit einer eigenen Orchestereinleitung (14 Takte) auch als symphonischer „Verbesserer“. Solo-Klarinettist der Wiener Philharmoniker, Daniel Otttensamer, spielt die instrumentierte Sonate, bei der das Klavier wegfallen ist, mit seinem schönsten Ton. Trotz seiner exzellenten Leistung samt einem gewissen Ohrenkitzel könnte man das Ganze auch für (gute) italienische Filmmusik halten.

CD 2 mit den Beatle-Songs „Michelle“, „Ticket to Ride“ und „Yesterday“ ist trotz der seriösen Bestellerin der Bearbeitungen für Kammerorchester (1965/67), Cathy Berberian, aus heutiger Sicht nur noch als grobe Geschmacksentgleisung zu bezeichnen. Michelle ist – ach je – gleich in zwei Versionen zu hören. Unnötig! Auch Sopranistin Sophia Burgos wird sich mit diesem Auftritt kein Ruhmesblatt verdienen.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

Diese Seite drucken