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CD LUCIANO BERIO: Rendering nach Skizzen von Schuberts Symphonie Nr. 10 in D; F. SCHUBERT: 9. Symphonie in C, Solistes Européens – Luxembourg; RUBICON

15.06.2018 | cd

CD LUCIANO BERIO: Rendering nach Skizzen von Schuberts Symphonie Nr. 10 in D; F. SCHUBERT: 9. Symphonie in C, Solistes Européens – Luxembourg; RUBICON

 

Alles dreht sich hier um Schubert. Christoph König stellt mit seinen quicklebendig, temperamentvoll und klangschön aufspielenden Solistes Européens – Luxembourg Schuberts Neunte in C Luciano Berios „Rendering“ gegenüber. Nach Vorlagen und Motiven aus Schuberts letzter unvollendet gebliebener Symphonie Nr. 10 in D. 936a, hat Berio seine „Ricompositione“ kreiert. Sie wurde unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt mit dem Concertgebouw Amsterdam 1988 uraufgeführt.

 

Franz Schubert hinterließ jede Menge an Skizzen zu einer 10. Sinfonie in D-Dur, D. 936a. Das musikalische Multitalent Luciano Berio nahm sich der Restaurierung an, „Rendering“ ist auf keinen Fall eine Rekonstruktion oder der Versuch einer Vollendung. Die Entwürfe waren für Klavier notiert, hie und da fanden sich Instrumentationshinweise. Berio orientierte sich bei seiner Instrumentierung grosso modo an jener der „Unvollendeten“, fügte aber noch einen Farbtupfer Mendelssohn hinzu. Während der erste Satz durchaus noch Schubert pur ist, hat Berio im auf Mahler hinweisenden Andante und im finalen Allegro weitaus mehr an eigener Stimme hinzugemischt. Berio ließ ebenso eine Kontrapunktübung einfließen, was dem letzten zwischen Scherzo und Finale schwankenden Satz den wohl polyphonsten Charakter unter allen Schubertschen Werken verleiht.

 

Schuberts letzte vollendete Sinfonie, seine 9. (nach neuer Zählung Nr. 8.), die Große C-Dur-Sinfonie, ist wahrscheinlich schon 1825 in Gmunden und Gastein entstanden. Die Symphonie wurde erstmals 11 Jahre nach Schuberts Tod mit dem Gewandhausorchetser unter der Leitung von Mendelssohn-Bartholdy gespielt. Der Dauerbrenner auf Tonträgern erfährt auf dem neuen Album eine klassische, sauber gearbeitete Interpretation, die aufgrund der inneren Spannung und der hörbaren Musizierlust aller Beteiligten ein Kennenlernen durchaus wert ist. 

 

Der aus Dresden stammende Dirigent Christoph König liebt ein Klangbild im Cinemascope-Format, ohne dabei das sehnig Tänzerische, dynamische Verdichtungen im großen Bogen bzw. das Anziehen der Spannungsschrauben an den dramatischen Schürzungen zu vernachlässigen. Bei Berio vermag König das Janusgesichtige der „Restaurierung“, dh. den ureigenen Duktus der Musik aus zwei Federn, charaktervoll in kraftvollen Pinselstrichen zu demonstrieren. Den Höhepunkt der CD bildet jedoch der vierte Satz aus Schuberts Neunter. Dem Sog dieses von König ordentlich angeheizten Allegro vivace, einem der aufregendsten Sätze der gesamten Musikgeschichte, von der Substanz und Wirkung dem vierten Satz der Neunten Beethovens vergleichbar,  kann sich wohl niemand entziehen.

 

Dr. Ingobert Waltenberger 

 

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