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CD „LINDENBAUM UND LOTOSBLUME“ – ANNA HERBST und TONI MING GEIGER mit deutsch-österreichischen und chinesischen Kunstliedern; Coviello Classics

19.03.2023 | cd

CD „LINDENBAUM UND LOTOSBLUME“ – ANNA HERBST und TONI MING GEIGER mit deutsch-österreichischen und chinesischen Kunstliedern; Coviello Classics

Musik als verbindende Gegenwelt zu den unaufhörlichen Kriegen um politisch-ideologischen Einfluss und technologisch-ökonomische Vorherrschaft

finh

Welch programmatisch kluger und künstlerisch überzeugender Ansatz ist der deutschen Sopranistin Anna Herbst und ihrem Begleiter am Flügel Toni Ming Geiger geglückt. „Lindebaum und Lotosblüte“ nennt sich das Album, das darlegt, dass Liebesfreud, -sehnsucht und Liebesschmerz in allen Kulturen gleichermaßen ureigenste Gefühle ansprechen und das deutsch-österreichische romantische Klavierlied seine unverkennbaren Marker auch im fernen China hinterlassen hat.

Anfang des 20. Jahrhunderts anlässlich einer der kurzen Öffnungen des Landes für andere Einflüsse gab es in China sogar eine sog. „Schullied-Bewegung“. Da trafen Melodien aus Deutschland, Österreich und anderen europäischen Ländern, Japan oder den USA auf chinesische Kreativität. Neue, teils patriotisch nationale Texte haben sodann dieses Liedgut auch in China populär gemacht. Die Xinhai-Revolution und Gründung der Republik 1912 ermöglichten es jungen Künstlern und Studierenden, nach Deutschland oder in die USA zu gehen und da an den Musikhochschulen ihr Wissen zu erweitern. Darunter fiel beispielsweise der Komponist Huang Zi (1904-1938), der auf der CD mit dem Lied „Drei Wünsche der Rose“ vertreten ist.

Auf dem Album sind ineinandergeflochten und abwechselnd thematisch und poetisch zusammenpassende Kompositionen von Robert Schumann („Jasminenstrauch“), Richard Strauss („Ich wollt’ ein Sträußlein binden“), Gustav Mahler („Ich atmet einen linden Duft“), Clara Schumann („Die stille Lotosblume“) oder Franz Schubert („Des Fischers Liebesglück“) mit den von der Klavierbegleitung her einfacheren, aber vokal ebenso anspruchsvollen Liedschöpfungen eines Luo Zhongrong (1924-2012), Huang Yongxi(1917-2003) bzw. Volkslieder aus Jiangsu, Qinghai, der Mongolei, Yunnan oder Sichuan zu hören.

Jetzt ist es Zeit und Gelegenheit, uns an die den Titeln nach („Die Wünsche der Rose“, „Vier Jahreszeiten“, Lotos für die ferne Geliebte“ oder „Aprikosenblüten in der Dämmerung“), hochromantischen und klanglich äußerst westlich grundierten, mit exotisch-folkloristischen Motiven durchwirkten Lieder aus dem Reich der Mitte zu nähern und uns mit ihrer faszinierenden musikalischen Substanz auseinanderzusetzen. Zu dem Thema hat in Berlin Jingyu Zhang vor fünf Jahren die Analyse „Entstehung und Entwicklung des modernen chinesischen Kunstlieds“ publiziert.

Aber freilich genügt es, sich die frisch musizierte CD anzuhören, um die kulturelle Durchdringung und Fruchtbarkeit im schöpferischen Austausch zwischen den Kontinenten in Bezug auf das Kunstlied zu erfahren und schätzen zu lernen. Die Auswahl und die Abfolge der Lieder tun das Ihrige, um eine stimmungsvolle und künstlerisch ansprechende Stunde mit europäischer und damit verwandter asiatischer Musikkultur vor den Boxen genießen zu können.

 

  • Robert Schumann: Jasminenstrauch, Mondnacht
  • Huang Zi: Drei Wünsche der Rose
  • Richard Strauss: Ich wollt‘ ein Sträußlein binden
  • Gustav Mahler: Ich atmet‘ einen linden Duft
  • Luo Zhongrong: Aprikosenblüten in der Dämmerung; Lotos für die ferne Geliebte
  • Clara Schumann: Die stille Lotosblume
  • Huang Yong-Xi: Lied der Sehnsucht
  • Franz Schubert: Des Fischers Liebesglück; Auf dem Wasser zu singen; Der Lindenbaum
  • Chinesische Volkslieder: Jasmin; Vier Jahreszeiten; Shepherd’s song; Ein Bächlein plätschert; Wann erblüht die Akazie

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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