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CD Lieder von einem Bariton gesungen – Neuerscheinungen

18.06.2019 | cd

CD Lieder von einem Bariton gesungen – Neuerscheinungen

 

CD LUDWIG MITTELHAMMER singt SCHUBERT, WOLF und MEDTNER, Berlin Classics

 

Von filigraner Liedkunst und in Nuancen schwelgender Klangpoesie versteht er was, dieser Ludwig Mittelhammer.  Der junge Münchner, im Opernfach als Rossinischer Figaro, Papageno, Danilo und Harlekin unterwegs, hat schon als „Tölzer Knabe“ Lieder von Franz Schubert gesungen. Schubert ist es auch, dem Mittelhammer den ersten Block auf seinem Debüt Album widmet. „Im Frühling“, aber auch „Der Knabe“  oder „Der Musensohn“ vibrieren vor lauter jugendlichem Ungestüm und freudiger Erregung. Da singt ein sich neugierig auf das Leben Stürzender, einer, der das Abenteuer sucht und findet. Wie das Ganze ausgeht, steht noch in den Sternen. 

 

Dem Hörer fallen sofort die emotionale Unmittelbarkeit der Interpretation, die lustvolle Gewandtheit des geborenen Geschichtenerzählers sowie die natürlich gesponnene Phrasierung auf. Angenehm ist, dass die Diktion bei aller Wortdeutlichkeit nie ins Deklamatorische und Konsonantengestakse übersteigert wird. Am Ende machen ja doch die Vokale den Farbenreichtum aus. 

 

Für den zweiten Teil hat sich Mittelhammer sieben Mörike-Lieder von Hugo Wolf ausgewählt. Der hell timbrierte lyrische Bariton passt großartig zu den kostbaren spätromantischen Miniaturen. In Liedern wie „Der Knabe und das Immlein“, „Der Tambour“, „Der Gärtner“ oder „Gesang Weylas“ kann auch der exzellente texanische Pianist Jonathan Ware seine künstlerische Eigenständigkeit in der Begleitung zeigen und tritt mit dem oftmals lautmalerisch expressiven Klavierpart prominent vor den Vorhang. In „Wo find ich Trost“ findet Mittelhammer zu beeindruckend dramatischen und atmosphärisch düsteren Tönen, bevor er im „Gebet“ durch wunderbares Legato besticht. Wohl fühlt sich Mittelhammer vor allem im Piano und gemäßigteren dynamischen Gefilden. Die derzeit noch limitiert expansionsfähige Stimme könnte vor allem in den Fortehöhen noch an Sicherheit und Saft zulegen.

 

Ungewöhnlich und wohl auch riskant erscheint daher die Wahl Nikolai Medtners. Der russische Komponist mit deutschen und skandinavischen Wurzeln hat bis Mitte des 20. Jahrhunderts an der romantischen Schule mit der technischen Virtuosität eines Rachmaninoff festgehalten. Der geforderte Tonumfang ist enorm, der so klug diese wunderbare Musik gestaltende Sänger klingt nichtsdestoweniger in den extremen Tiefen und Höhen nicht frei genug, um wirklich zu überzeugen. Aber immerhin kann der Hörer zwei Versionen von „Wanderers Nachtlied“ sowie das unheimliche Lied „Meeresstille“ und die ekstatische „Glückliche Fahrt“ für sich entdecken.

 

Fazit: Ludwig Mittelhammer gibt Kostproben seines famosen Talents ab und findet vor allem bei Schubert zu einem genuin eigenen Stil. Medtner zeigt ihn noch von der grünen Seite.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

CD MARKUS WERBA singt Gustav Mahlers LIEDER EINES FAHRENDEN GESELLEN und aus DES KNABEN WUNDERHORN; NoMadMusic

 

Der als Mozart-Sänger zu musikalischen Ehren und Weltkarriere gekommenen fesche Kärntner verfügt über einen beeindruckend heldischen Bariton. Die so persönliche musikalische Welt Gustav Mahlers kommt da gerade im richtigen Augenblick der stimmlichen Entwicklung. Unter der die Drastik der Zyklen auslotenden musikalischen Leitung von Enrique Mazzola  bietet Werba begleitet vom Orchestre nationale d‘Île-de-France reife künstlerische Interpretationen, die in ihrer stimmlichen Urgewalt bzw. mit samtig blühenden Piani direkt unter die Haut gehen. Ähnlich den Mahler-Aufnahmen von George London legt Markus Werba weniger Aufmerksamkeit auf das kleine Detail, sondern pflegt den großen Opernton, der den kreatürlichen Aufschrei der geknechteten Mahler-Seele so glaubhaft macht. Bei „Ich hab ein glühend Messer, ein Messer in meiner Brust“ ist förmlich der Stahl im Fleisch zu spüren, der ungeheure Schmerz, die Todessehnsucht des verlassenen Liebenden, bevor die Stimmung im nächsten Lied unter dem Lindenbaum, der seine Blüten über den Protagonisten schneit, ganz still und in Ruhe in den Abschied mündet.

Aus des „Knaben Wunderhorn“ hat Werba die Orchesterlieder „Revelge“, „Rheinlegendchen“, „Der Tambourg‘sell“, „Urlicht“, „Des Antonius von Padua Fischpredigt“ und „Lob des hohen Verstandes“ gewählt. Hier herrscht ein anderer volkstümlicherer Ton, der in unbeschwert rustikalem Tralali, Tralalei, Tralala (Revelge) schwelgt oder durch schrägen Humor („Kein Predigt niemalen den Karpfen so g‘fallen“) unsere Aufmerksamkeit fesselt. Markus Werba erweist sich auch hier als zünftig alle Register ziehender Troubadour auf dem Zenit seiner Möglichkeiten. Ein Sänger der Sonderklasse, der mit diesem Album ganz sicher auf dem künstlerischen Mount Everest angelangt ist. 

Zwischen den Liedern gibt es als „Rarität“ „Vier Orchesterstücke“ des 38-jährigen Anton Bruckner zu hören. Eigenartige kleine moments musicaux, die eher nach Schumann, Schubert und Mendelssohn klingen als auf die Wagner-Chromatik der später entstandenen Symphonien zu verweisen. Eine originäre musikalische Subtanz ist da nicht auszumachen. Verständlich, dass Bruckner diese vier Orchesterstücke vollkommen verwarf. Passender wäre es gewesen, Werba hätte stattdessen die Kindertotenlieder aufgenommen.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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