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CD #LetsBaRock – JAKUB JÓSEF ORLINSKI & ALEKSANDER DEBICZ; Erato

24.09.2024 | cd

CD #LetsBaRock – JAKUB JÓSEF ORLINSKI & ALEKSANDER DEBICZ; Erato

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„Es hat uns großen Spaß gemacht, aber am meisten würde es uns freuen, wenn Sie sich nun auch für die Musik von Purcell, Monteverdi, Bach oder einen der anderen großen Meister der Barockzeit begeistern können, ou tout autre maître de l’age baroque.“ Orlinski/Debicz

Die beiden kennen sich seit der Uni und wollen an eine neue Publikumsgeneration ran. Eben weil sie Alte Musik lieben, wollen sie damit punkten, dass sie in klassischer Crossover-Manier Themen, Melodien und Arien von Fago, Purcell, Monteverdi, Händel und Vivaldi u.a. elektronisch für das 21. Jahrhundert „aufrüsten“. Während der Pandemie fanden sie hinreichend Zeit, zu üben, spielerisch zu improvisieren und „Coverversionen“ von Barockliedern und Arien zu kreieren.

Der polnische Countertenor Jakub Jósef Orlinski, einst break dance youngster auf Warschaus Straßen und Plätzen, sodann gesuchter Interpret barocker und zeitgenössischer Musik von der New Yorker Met bis Paris, Wien und Berlin, hat sich in letzter Zeit stilistisch diversifizierteren Konzertformaten zugewandt. Da überraschte der Influencer und Social Media gewandte, „Vogue Man“-Cover zierende Sänger schon mal mit einer kleinen Tanzeinlage oder Songs in polnischer Sprache. Wer ihn live erlebt hat, hat den Eindruck, dass Natürlichkeit, Witz und Charme dem Künstler in die Wiege gelegt worden sind. Sein Countertenor klingt samtig rund, ist beweglich und intonationssicher.

Jetzt hat er gemeinsam mit dem Pianisten und Komponisten Aleksander Dębicz ein Album konzipiert, das die Virtuosität bzw. überwiegend gebrochene Elegie barocker Hits in mehr oder weniger aufregende Arrangements packt. Dębicz schreibt mit Vorliebe Film-Musiken und gewinnt schon mal einen Instant-Composer Contest. Die Bearbeitungen klingen mal jazzig, mal pop-, club- oder house- inspiriert.

In Anbetracht des Titels #LetsBaRock hätte ich mir allerdings insgesamt fetzigere Rhythmen, mehr Elan und einen weniger esoterischen Faserschmeichlersound (vgl. z.B. ‚Alla Gente‘ nach einer Arie aus Francesco Nicola Fagos Oper „Il faraone sommerso“, ‚Fairest Isle‘ aus Purcells „King Arthur“) vorgestellt. 

Orlinski reüssiert indes geschickt damit, wie er persönlich etwa in die Bearbeitung mit Klavier und Percussion von Henry Purcells ‚Strike the Viol‘ aus der „Ode for Queen Mary’s Birthday“ kleine Verzierungen platziert, was dem Klang einen exotisch funky touch gibt oder am Ende von ‚Pana Tiranna‘ (aus Händels Oper „Amadigi die Gaula“) temperamentvoll aufdreht.

Für das Album steuert Aleksander Dębicz die „Intro“, „Toccata I“ (tollgroovige Melange aus J.S. Bach, Hip-Hop und Rap) und das „Finale“ mit einem frei vokalisierenden Orlinski an eigenen Kompositionen bei, die tatsächlich die interessantesten Nummern des Albums ausmachen. Gemeinsam mit dem Kontrabassisten Wojciech Guminski und den Drummer Marcin Ulanowski haben sie die insgesamt 13 Nummern des Albums August/September 2023 in den technisch bestens gerüsteten Londoner Church Studios aufgenommen (Soundingenieur Mateusz Banasiuk). 

Um der polnischen Popmusik Tribut zu zollen, hat auch eine neue Version des Songs „Moja i Twoja Nadzieja“ der polnischen Band Hey Eingang in das Album gefunden. Im sensiitiv ausgeleuchteten Arrangement ‚Zefiro Torna‘ nach Monteverdis ‚Zefiro torna e di soavi accenti‘ (aus den Scherzi musicali SV 251) duettiert Orlinski harmonisch mit der neuseeländischen Sopranistin Madison Nonoa. Monteverdis Wiegenlied ‚Oblivion soave‘ aus der Oper „L’Incoronazione die Poppea“ nimmt in der präsentierten Form den Charakter „eines tranceartigen, traumgleichen Clubtracks“ an. Witzig ist, wie Orlinski in Purcells ‚Sound the trumpet‘ den Klang einer Trompete naturgetreu imitiert. In ‚Vedrò‘ nach einer Arie aus Antonio Vivaldis „Il Giustino“ geht Debicz mit den instrumentalen Verfremdungseffekten am freiesten um.

Vokal ist Orlinski, was Legato und Ornamentierungen anlangt, in Top-Form und wird seine zahlreichen Verehrerinnen und Fans mit dem Album sicherlich begeistern. Der Ausflug in dieses Crossover-Projekt und die Freude der Ausführenden daran ist natürlich legitim. Ob damit allerdings Teile des dem Phänomen seines faszinierenden Künstlertums folgenden Publikums tatsächlich für Alte Musik in ihren strengeren Originalen begeistert werden können, sei dahingestellt. Wünschenswert wäre es. Persönlich kann ich als nächstes jedoch trotz vieler reizvoller Momente im Album ein weiteres Barockalbum ohne „R“ kaum erwarten.

Tipp: Am 26. September 2024 werden Jakub Józef Orliński & Aleksander Dębicz ihr Programm #LetsBaRock in der Berliner Philharmonie präsentieren und bis 7.10. damit auch in Amsterdam (25.9.), Poznań (27.9.) Katowice (28.9.), Kraków (29.9.), Wrocław (30.9.), Warszawa (1.10.), Bielsko-Biała (3.10.), Łódź (5.10.), Szczecin (6.10.) und Gdańsk (7.10.) auftreten.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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