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CD LEOPOLD I: „IL SACRIFICIO D’ABRAMO“, MISERERE – Weser Renaissance; cpo

25.08.2020 | cd

CD LEOPOLD I: „IL SACRIFICIO D’ABRAMO“, MISERERE – Weser Renaissance; cpo

„Denn wo etwas in der welt gewesen, so dem Kayser vergnügung gemacht, so war es unfehlbar eine gute music. Diese vermehrte seine freude, diese verminderte seine kümmerniß.“ Gottlieb Rink, Biograph

Ein geistliches Oratorium des 20-jährigen Augustissimo Imperatore Leopoldo aus dem Jahr 1660 auf ein Libretto von Conte Caldana? Und das war nur der Anfang einer großteils im Verborgenen geübten, aber dennoch durchaus fruchtbaren Kompositionstätigkeit des Kaisers. Da drängt sich die Frage auf: Hatte dieser Habsburger-Kaiser während seiner 47 Jahre währenden Regentschaft, d.h. in Zeiten der Expansionsbestrebungen Frankreichs (Ludwig XIV.), der türkischen Angriffe aus Südosten, inmitten von Spanischem und Kurpfälzischem Erbfolgekrieg und dem Aufräumen nach dem 30-jährigen Krieg nichts Besseres zu tun, als Musik zu schreiben? Ursprünglich sollte Leopold Geistlicher werden und kam nur deshalb auf den Thron, weil sein älterer Bruder Ferdinand IV. frühzeitig den Pocken erlag. Trotz seiner großen Liebe zur Musik erfuhr die Habsburgermonarchie unter ihm einen beachtlichen Aufschwung. Von Historikern wird Kaiser Leopold I als Architekt, der Österreich zur „Weltmacht des Barock“ geführt habe, und in Bezug auf das Heilige Römische Reich als „Kaiser des Westfälischen Friedens“ zunehmend durchaus positiv gesehen.

Auf musikalischem Gebiet hinterließ Leopold I nicht nur bedeutende Spuren als Komponist. Mit der Förderung der Hofkappelle, für die er sogar eine Dienstvorschrift verfasste, wurde der Grundstein von Wien als weit über alle Grenzen hinausstrahlende Musikstadt gelegt. Die Instrumentalisten und Sänger der Kapelle hatten damals ganz schön zu tun: Mitwirkung an 250 Gottesdiensten im Jahr, dazu Opern, Oratorien, Tafelmusiken, Schauspielmusiken, Kammermusik etc. Diese bienenfleißigen Hofmusiker ließ sich der Kaiser 60.000 Gulden im Jahr kosten. 400 neue Werke zählte seine Regentschaft, während derjenigen seines ebenfalls komponierenden Vaters Ferdinand III. wurden immerhin 16 Opern und Oratorien aus der Taufe gehoben.

Eleonore von Gonzaga, die dritte Ehefrau von Ferdinand III., hatte mit der Einführung der aus Italien stammenden Musikform der Oratorien, genauer der Passionsmusiken oder „Sepolcri“, einen Grundstein für die Wiener Musikpflege während der Fastenzeit gelegt. Musikforscher und Spezialist für das Oeuvre Leopolds I. Jörg Jacobi weiß dazu in seinem Aufsatz „Leopold I. – Kaiser und Komponist“: “In einem Sepolcro werden auf jede erdenkliche Art und Weise die Geschehnisse zwischen Tod und der Auferstehung Jesu betrachtet. Personen des Neuen Testaments treten gemeinsam mit Allegorien und Figuren des Alten Testaments auf, drücken ihre Verzweiflung aus, kommentieren die Handlung und kommen zu sehr frommen und moralischen Schlussfolgerungen, die den Hörer erbauen und das Leiden Jesu illustrieren sollen.“

 Bei „Il Sacrificio d’Abramo“ handelt es sich um Leopolds erstes, ca. einstündiges Oratorium und das erste, bei dem Isaak als Urbild von Jesus Christus beschrieben wird. Außer Isac (Monika Mauch Sopran) und Abramo (Julian Podger Tenor) sind es im ersten Teil vor allem die Allegorien Ubidienza=Gehorsam (Margaret Hunter Sopran) und Humanitá=Menschlichkeit (Nele Gramß Sopran), die den schwierigen und unlösbaren Gewissenskonflikt, entweder Gott nicht zu gehorchen oder das eigene Kind erstechen zu müssen, dialogisierend beleuchten. Im zweiten Teil ruft Penitenza=Buße (Marnix de Cat Alt), die vier Sünder zu den blutbefleckten Hügeln nach Golgatha, Gelegenheit, hier noch die Bußpsalmen aus dem Alten Testament zu integrieren.

Als Ergänzung ist auf der CD noch das „Miserere per la settimana santa“ zu hören.

Musiziert wird gediegen und höchsten Ansprüchen der historischen Aufführungspraxis genügend. Die puren und ausdrucksstarken Stimmen belegen wieder einmal, dass in der Welt der Alten Musik vokal eitel Wonne herrscht. Manfred Cordes dirigiert das Weser-Renaissance Ensemble Bremen. Die ungemein farbige, stimmungsvolle und kunstvolle Musik macht Staunen. Expressive Rezitative gehen in ariose Abschnitte über, die Musiker legen Wert auf einen kompakten Fluss der Musik, die Dramatik der Opferung in drastische Töne kleidend.  Der in der Partitur von Leopold I. tief empfundene spirituelle Gehalt der Musik ist in jeder Sekunde der Aufführung spürbar.  

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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