CD „L’AFFAIRE D’HONNEUR“ – LUISA IMORDE spielt Klaviermusik von Woelfl, Mozart und Beethoven; Berlin Classics
Veröffentlichung: 1.2. 2019
Duelle mit tödlichem Ausgang erhöhen bei Besuchern von Opern wie Eugen Onegin oder Don Giovanni den Adrenalinspiegel. Die vorliegende CD versteht sich als Hommage an ein berühmtes, unblutig verlaufenes Klavierduell der Musikgeschichte: Im Winter 1798 liefern einander der 28-jährige Ludwig van Beethoven und der 25-jährige Salzburger Johann Joseph Baptist Woelfl ein musikalisches Kräftemessen am Klavier. Schauplatz war das Palais des Raimund Baron Wetzlar zu Plankenstern in Wien/Schönbrunn.
Nach dem kolportiert historischen Applaus zu schließen, dürfte es am Ende auf ein Patt hinausgelaufen sein. Woelfl soll virtuoser (glatter und eingängiger) gespielt haben, Beethoven soll weniger mit delikater Interpretation, dafür mit ungeheurer Fantasie und Ideenreichtum überzeugt haben.
Die deutsche Pianistin Luisa Imorde ruft die Geister des damaligen Treffens zu einem vergnüglichen Eigenduell mit sich selbst. Dabei kontrastiert sie die Variationen von Woelfl mit denen von Beethoven über dasselbe Duett („La stessa, la stesstissima“) aus Antonio Salieris Oper „Falstaff“. Ihre Lust, Werke der Musikgeschichte zueinander in neue Bezüge zu bringen, setzt Luisa Imorde gemeinsam mit einem ihrer Lehrer, nämlich Jacques Rouvier, am Beispiel von Mozarts „Adagio und Fuge für zwei Klaviere in c-Moll“ fort. Satztechnik, Motive, melodische Einfälle weisen direkt auf Beethovens „Grande Sonate Pathétique“, die wiederum Woelfl mit seiner c-Moll Sonate noch zu übertreffen suchte. Er übernimmt deren Form, erweitert sie und lässt Beethovens Themen ab und an aufblitzen.
Wie die Pianistin ausführt, „vereint Woelfl nicht nur Bachs Fugenkunst, Mozarts Klarheit, Beethovens Sturm, sondern bietet dem Hörer sogar Schubertsche Abgeklärtheit. In dessen erstem Impromptu lassen sich fast wörtliche Zitate von Woelfl finden.“ Und tatsächlich, die beinahe 30-minütige „Sonate précédée d’une Introduction et Fugue“ in c-Moll ist eine veritable Entdeckung, die nicht viele kennen werden und weit in die Frühromantik vorausweist. Das Adagio und die Fuge von Mozart zusammengenommen mit der Pathétique ergeben exakt die Form von Woelfs Sonate: Adagio, Fuge und die drei Sonatenhauptsätze Allegro molto, Adagio und Rondo. Verwunderlich ist, dass die Musikgeschichte einen Musiker, der eine so große Karriere machte und zu seiner Zeit mehr verdiente als seine Kollegen Mozart, Haydn und Beethoven zusammen, derart radikal aus dem kollektiven Gedächtnis löschen konnte.
Wir lauschen daher voller Andacht dem imaginierten künstlerischen Wettkampf und danken Luisa Imorde nicht nur für die Rehabilitierung des Könners in allen Gassen Woelfl, sondern auch für ihr zupackendes, klares, selbst in den streng fugierten Klangsträngen so energiereich leuchtendes Spiel. Eine Sache der Ehre ist es nun, sich intensiver mit Woelfls Schaffen auseinanderzusetzen. Im Katalog findet sich dazu nicht reichlich, aber doch Gelegenheit: u.a. Klavierkonzerte (Yorck Kronenberg), Streichquartette (Quatuor Mosaiques) und weitere Klavierwerke (Adalberto Maria Riva). Vielleicht ruft das einzigartig kraftvolle Engagement von Luisa Imorde Nachahmer auf den Plan. Das wäre ja ein würdiger Wunsch eines echten Musikfreundes an den Osterhasen.
Dr. Ingobert Waltenberger