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CD: Kozeluch: CONCERTOS AND SYMPHONY – Camerata Rousseau, Leonardo Muzii

20.02.2021 | cd

CD: Kozeluch: CONCERTOS AND SYMPHONY – Camerata Rousseau, Leonardo Muzii

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Un altro divino Boemo?

Traten die gleichaltrigen Cousins der Familie Romberg zusammen auf, war es eine knappe Generation vorher in der Familie Koželuh so, dass der ältere Cousin den Jüngeren unterrichtete. Zu dieser Zeit dürfte der Jüngere auch den Namen Leopold angenommen haben, denn getauft wurden beide Koželuhs auf die Vornamen Jan Antonín.

Jan Antonín Koželuh wurde am 14. Dezember in Velvary getauft. Nach Studien bei den Jesuiten in Březnice und bei Josef Seger (1716-1782) in Prag liess er sich in Wien bei Christoph Willibald Gluck (1714-1787), Florian Leopold Gassmann (1729-1774), Johann Adolph Hasse (1699-1783) und vermutlich auch Antonio Salieri (1750-1825) zum Opern-Komponisten ausbilden. Obwohl er zwischen 1769 und 1777 für die Prager Bühnen erfolgreich Opere serie und Oratorien komponierte, fehlte der Mäzen, der ihm die erträumte Karriere ähnlich seines Landsmann Josef Mysliveček (1737-1781), genannt «Il divino Boemo», ermöglicht hätte. So blieb er in Prag, wo er Kapellmeister der Kreuzherrenkirche und ab 1784 Kapellmeister des St.-Veits-Doms (Stellung auf Lebenszeit) wurde. Am 3. Februar 1814 starb er in Prag.

Leopold Antonín Koželuh, der am 26. Juni 1747 geborene, jüngere der beiden Cousins, kam doch über Prag hinaus. Nach Studien bei Anton Kubík, Franz Xaver Dussek und seinem Cousin ging er 1778 nach Wien, wo er als Pianist und Klavierlehrer, dann auch als Komponist rasch Karriere machte. In den 1790er Jahren war neben Mozart und Franz Xaver Sterkel erfolgreicher Komponist von Klavierkonzerten, überhaupt einer der meistbeschäftigtsten Komponisten im Wien jener Zeit. Am Hoftheater feierte er mit seinen Balletten Erfolge, mit Kantaten und Konzertarien setzte er in den Akademien Akzente. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere erhielt er im August 1791 den Auftrag zur Festkantate zur böhmischen Königskrönung von Leopold II. und wurde 1792, als Nachfolger Mozarts, Kammerkapellmeister und Hofkomponist auf Lebenszeit. Schon 1787 waren drei seiner Symphonien im Druck erschienen, die dann Europa rasch nachgespielt wurden, so 3. April 1787 im Concert spirituel in Paris. Möglicherweise diente die g-Moll-Sinfonie als dramatisches Intermezzo, als im Dezember 1787 die Wiener Tonkünstler-Sozietät Leopold Koželuhs Oratorium «Moïse in Egitto» im Weihnachtskonzert aufführte. Leopold Koželuh starb am 7. Mai 1818 in Wien.

Jan Antonín Koželuhs Bläserkonzerte, das «Konzert C-Dur für Fagott und Orchester» (LMik. JAK XIV:1) und das «Konzert F-Dur für Oboe und Orchester» (LMik. JAK XIV:3) sind mit ihrer kantablen Schönheit und ausdrucksstarken Melodien klingende Zeugnisse vom Traum einer grossen Karriere als Opern-Komponist. Gerade die langsamen, expressiven Sätze (Larghetto im Fagott-Konzert und Adagio im Oboenkonzert) erinnern an die Singstimmen aus einer Oper seria und in der Melodik an die «melodie lunghe lunghe» Bellinis.

Das «Konzert B-Dur für Fagott, Streicher und Basso Continuo» (LMik. JAK XIV:2) von Leopold Koželuh scheint mit seiner tänzerischen Leichtigkeit und der hier vom Solisten besonders geforderten Kunst Kunst des «messa di voce», des An- und Abschwellen der Töne, von der Bühne inspiriert. Die «Sinfonia III in g-Moll» (PosK I:5) von Leopold Koželuh führt dann direkt zur Wiener Klassik.

Die beiden Solisten, Sergio Azzolini auf dem Fagott und Giovanni de Angeli auf der Oboe, zeigen sich als absolute Meister ihres Fachs. Azzolini spielt ein Originalinstrument von Kaspar Tauber, der ab 1792 in der Wiener Leopoldstadt eine florierende Werkstatt betrieb. Der Klang zeitgenössischer Fagotte ist mit modernen Instrumenten nur schwierig zu erreichen. De Angeli spielt auf der Kopie einer Oboe des Dresdner „Hofinstrumentenmacher“ Johann Heinrich Wilhelm Grenser aus dem Jahre 1804.

Die Camerata Rousseau spielt unter ihrem Gründer Leonardo Muzii auf historischen Instrumenten und verfolgt ihr Interesse an der Auseinandersetzung mit Stücken, die noch unbelastet sind von der interpretativen Tradition der in den Konzertsälen zu hörenden, überschaubare Auswahl von Werken der Mozart-Haydn-Beethoven- Triade. Die Gruppe von Musikerinnen und Musikern aus den Reihen der Schola Cantorum Basiliensis sowie des Département de Musique Ancienne der Haute école de musique de Genève spielen hoch konzentriert, lebendig und virtuos.

Schlicht überwältigend!

 

19.02.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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