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CD: Kammermusik von ERNST von DOHNÁNYI und RICHARD STRAUSS; cpo

13.12.2024 | cd, REISE und KULTUR

CD: Kammermusik von ERNST von DOHNÁNYI und RICHARD STRAUSS; cpo

weiss

Hellen Weiß – Violine, Paul Rivinius – Klavier, Wen Xiao Zheng – Viola, Gabriel Schwabe – Cello

Manchmal gibt es von seltener zu hörenden Stücken lange keine Neuaufnahme mehr, dann gleich mehrere nicht zu knapp hintereinander. Das Kreisler Trio Wien war 2021 dran, nun sorgen zwei weitere fast gleichzeitig erschienene Tonträger auf hohem Niveau zur selben Zeit für eine luxuriöse Qual der Wahl. Die Serenade für Streichtrio in C-Dur, Op. 10 von Ernst von Dohnányi gibt es in hochaktuellen Interpretationen vom Trio Arnold (im Rahmen des bei Mirare erschienenen Albums „Nuits Hongroises“) bzw. auf der neuen cpo-CD, gekoppelt mit Dohnanyis Violinsonate in cis-Moll, Op. 21 und der Violinsonate in Es-Dur Op 18 des jungen Richard Strauss.

Der im heurigen Bratislava geborenen Dohnanyi studierte Klavier und Violine an der Budapester Musikakademie. Zu seinen Mitstudenten gehörte u.a. Béla Bartók. Von Eugen d’Albert in Wien erhielt der junge Ernst von Dohnányi den letzten Schliff im Konzertfach Klavier. Von Brahms geschätzt, verbrachte er den Großteil seines musikalischen Lebens in Budapest, wo Dohnanyi Direktor der Budapester Musikakademie wurde und die Philharmonische Gesellschaft als Chefdirigent leitete. Am Rande bemerkt: Der Komponist ist Großvater von Christoph und Klaus von Dohnányi (der eine war Dirigent, der andere Bürgermeister von Hamburg), die prominentesten unter seinen Studenten waren Géza Anda und Georg Solti.

Als Komponist verblieb Dohnányi der spätromantischen Tonalität treu, wie sie ihm von seinem Lehrer Hans Kössler beigebracht worden war. Seine Violinsonate in cis -Moll, Op 21 (1911/12), dem ungarischen Geiger Victor von Herzfeld gewidmet, ist ein temperamentvoll vorwärtsdrängendes, von ungarischer Folklore und Brahms‘scher Komplexität durchwirktes kammermusikalisches Quecksilber. Von Hellen Weiß und Paul Ravinius mit den offenkundigen Vorzügen des in seinem Charakter – der langsame Satz fehlt – so heftig aufschäumenden wie lyrisch einfühlsamen Stücks kontrastreich artikuliert, wirkt sie trotz des späteren Entstehungsdatums künstlerisch und von der thematischen Inspiration her wie die „kleinere“ Schwester der Serenade für Streichtrio in C-Dur, Op. 10.

Diese Serenade ist wahrlich ein Juwel, kraftvoll erdig, eindringlich launig bis augenzwinkernd verschmitzt. Das Stück spannt einen großen Bogen von der Marcia. Allegro bis zum finalen Rondo.Allegro vivace. Das Tema con variazioni (4. Satz) ist von überirdischer Textur. Hellen Weiß (Violine), Wen Xiao Zheng (Viola) und Gabriel Schwabe (Cello) erweisen sich als eine Idealbesetzung. Legt das Trio Arnold bei dieser wundersamen Serenade mehr Wert auf fein gestrickte impressionistische Klangwirkungen, so sprüht die vorliegende Aufnahme vor teuflischer Spiellust und duftet würzig nach scharfem Paprika. Wer könnte da widerstehen?

Welcher Angebeteten ein Ständchen geboten werden sollte, wissen wir nicht, nur dass sich der Komponist ganz gehörig ins Zeug gelegt hat mit der kunstvollen Schichtung von schmachtender Romanze, ausgefeilter Kontrapunktik (Fuge im Scherzo), Variationen und einem abschließenden Resümee, in dem die wichtigsten Gedanken nochmals Revue passieren. Ein großes Werk in einer glutvollen Wiedergabe, die vom Hocker reißt.

Als drittes Stück hören wir die Violinsonate in Es-Dur, Op. 18 von Richard Strauss.  Das halbstündige Werk, etwa gleichzeitig wie die Tondichtung „Macbeth“ entstanden, wurde 1888 uraufgeführt. Die sanglichen und oftmals quasi orchestralen Klangwirkungen der technisch wie ein Klettersteig oder eine Skipiste der Kategorie schwarz einzustufenden Sonate sind schon ganz der typischen, später noch verfeinerten Strauss‘schen Tonsprache in sinfonischer Dichtung und Oper verpflichtet.  

Wer glaubt, im Finalsatz schon den Beginn des zwei Jahre später entstandenen „Don Juan“ (andeutungsweise) herauszuhören, liegt nicht falsch. Die Hamburgerin Helen Weiß, die ihre Lehrtätigkeiten auf Köln und Dresden aufteilt, weiß der venezianischen Matteo Goffriler-Geige (1698) einen Reigen an farblich leuchtend irisierenden, funkensprühenden bis sich zu jubelnd sehnsüchtiger Ekstase steigernden Tönen in der finalen Apotheose des Stücks zu entlocken. Ihr kongenial zur Seite Paul Rivinius, seit 2004 Mitglied des Mozart Piano Quartetts, der in dem Auf und Ab der klanglichen Wogen rauschhaft brilliert und die vielen Noten überspitzt humorig mit Schalk im Nacken virtuos zum Perlen bringt.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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