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CD: JULES MASSENET: THAÏS  – Toronto Symphony Orchestra, Sir Andrew Davis

„Sie haben die Sängerin, das Werk wird ihr folgen“

01.06.2020 | cd

CD: JULES MASSENET: THAÏS  – Toronto Symphony Orchestra, Sir Andrew Davis

Jules Massenet: Thais (2 Super Audio CDs) – jpc

 

„Sie haben die Sängerin, das Werk wird ihr folgen“

Die vom 4. bis 9. November 2019 in Roy Thomson Hall in Toronto (Kanada) aufgezeichneten konzertanten Aufführungen von Jules Massenets „Thaïs“ legt das Label Chandos nun als Doppel-CD vor.

Wie bei „Le Roi de Lahore“ oder „Le Jongleur de Notre-Dame“ kann Massenet auch bei „Thaïs“ seinem Interesse am theatralischen Reiz von Ritualen und den von (über)grosser Frömmigkeit ausgelösten, psychologischen Konflikten nachgehen. Thema der „Thaïs“ ist die Spannung zwischen weltlichem Vergnügen und selbstverleugnender Askese: Thaïs, die sich plötzlich die Sinnfrage, die Frage nach dem ewigen Leben stellt und Athanaël, der merken muss, dass man Askese auch übertreiben kann, kontrastieren miteinander.

Nach seiner Rückkehr aus Wien im April 1892 begann Massenet die Komposition der Thaïs, die er für die Opéra comique konzipiert hatte, da hier die amerikanische Sopranistin Sybil Sanderson, die er für die Hauptrolle vorgesehen hatte, unter Vertrag stand. Während der Komposition aber hatte die Opéra die Sanderson der Opéra comique abgeworben, so dass der Direktor der Opéra dann Massenet bat das Werk entsprechend anzupassen. Massenet war bereit: „Sie haben die Sängerin, das Werk wird ihr folgen“. In Paris hatte das Werk nach der zweiten Fassung längere Zeit grossen Erfolg, international vermochte es sich nicht zu behaupten. Dies mag damit zusammenhängen, dass der Erfolg des Stücks direkt von den sängerischen und darstellerischen Fähigkeiten der Interpretin der Thaïs abhängt.

Die kanadische Sopranistin Erin Wall vermag als Thaïs auf der Aufnahme, wo die szenische Komponente (wie auch bei den aufgenommenen Aufführungen) fehlt, nur bedingt zu überzeugen. Sie interpretiert die Partie mit einem Minimum an Farben und dynamischen Abstufungen. Joshua Hopkins als Athanaël kämpft zusätzlich noch mit der Diktion. Andrew Staples gelingt als Nicias eine überzeugendere Interpretation seiner Partie. Nathan Berg gibt klangschön die kleine Partie des Palémon. Neil Aronoff (ein Diener), Liv Redpath (Crobyle), Andrea Ludwig (Myrtale), Emilia Boteva (Albine) und Stacey Tappan (La Charmeuse) ergänzen das Ensemble.

Der Toronto Mendelssohn Choir (vorbereitet von David Fallis) und das Toronto Symphony Orchestra unter Sir Andrew Davis klingen über lange Strecken wenig inspiriert und breiig.

Französische Oper geht anders.

01.06.2020, Jan Krobot/Zürich

 

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