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CD: Józef Kozlowski: REQUIEM • Singapore Symphony Orchestra, Hans Graf

27.04.2024 | cd

CD: Józef Kozlowski: REQUIEM • Singapore Symphony Orchestra, Hans Graf

Ein musikalisch höchst interessantes Werk, das unsere Hörgewohnheiten oft überrascht

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Mit dem Requiem für König Stanisław II. August Poniatowski komponierte Józef Kozłowski letztlich ein Requiem auf die untergegangenen Königliche Republik der Polnischen Krone und des Großfürstentums Litauen.

Józef Kozłowski wurde 1759 vermutlich als Sohn von Anton Kozłowski (Geiger in den Hofkapellen von Hauptmann Jan Klemens Branicki und König August III. ) wahrscheinlich in Warschau geboren. Seine musikalische Ausbildung in Kirchengesang, Violine und Orgel erhielt er möglicherweise an der Kapelle der dortigen Johanneskathedrale. Später wurde er Musiklehrer der adligen Familie Oginsky. In den 1780er-Jahren war Polen-Litauen de facto zu einem Vasallenstaat Russlands geworden, womit auch die alte Hauptstadt Warschau an Bedeutung verloren hatte. 1786 zog es Kozłowski nach St.Petersburg, Russland, wo er trat der russischen Armee beitrat und Adjutant von Fürst Dolgoruki, einem der kommandierenden Generäle die russischen Truppen im Russisch-Türkischen Krieg (1787–1792), wurde. In diesem Umfeld wurde Grigori Alexandrowitsch Potjomkin, damals Premierminister Russlands und Liebhaber der Kaiserin Katharina, auf ihn aufmerksam, der ihn am kaiserlichen Hof einführte. So konnte er sich nun ganz der Musik widmen. Nach Potemkins Tod 1791 wurde er Inspektor für Musik und 1799 Musikdirektor der Kaiserlichen Theater. 1819 zwangen Lähmungen ihn zum Rückzug. 1831 starb er in St.Petersburg.

Über die polnische Diaspora in St.Petersburg war Kozłowski mit dem letzten polnischen König Stanisław II. August , der 1795 zur Abdankung gezwungen wurde und seit 1797 mit einer von Katharina gesprochenen Rente als Gefangener des Zaren in St. Petersburg lebte, in Kontakt gekommen. Der König, der spürte, dass es mit ihm zu Ende ging, gab bei Kozłowski das Requiem zu seiner Beerdigung in Auftrag. Bald darauf starb Stanisław am 12. Februar 1798 an einem Schlaganfall. Das Requiem wurde zu seinem Staatsbegräbnis am 25. Februar 1798 während eines Staatsbegräbnisses in der katholischen Kirche St. Katharina in St. Petersburg uraufgeführt. Für die Beerdigung von Zar Alexander I. von Russland (+ 01.12.1825) überarbeitete Kozłowski das Requiem.

Die für die Spielzeit 2020-2021 beim Singapore Symphony Orchestra geplante Aufführung der Ur-Version verschob sich nicht nur auf Grund der Pandemie. Hans Sørensen, künstlerischer Direktor des Singapore Symphony Orchestra, der das Stück 2018 über eine Aufnahme kennengelernt hatte, musste bei der Vorbereitung feststellen, dass kein Orchestermaterial verfügbar ist. Nach einigem Aufwand hatte Sorensen aus St. Petersburg eine Partitur und einen Klavierauszug, den Autograph von 1798, den ersten Druck bei Breitkopf & Härtel sowie eine Bearbeitung Kozlowskis für Klavier und Violine. So konnte eine kritische Edition entstehen. Die Aufführung in dieser Saison 2022-2023 dirigierte schliesslich Chef-Dirigent Hans Graf, da der vorgesehene Dirigent Alexander Vedernikov den Kampf gegen das Corona-Virus am 29.10.2020 verloren hatte.

Hans Graf dirigiert das Singapore Symphony Orchestra und bringt Pomp und Pathos der Partitur im «Dies irae» klanggewaltig zur Geltung. Gleich danach, im «Tuba mirum», zeigt das Orchester, das es auch anders, fein und sängerfreundlich kann. Chordirektor Eudenice Palaruan und Chordirigent Wong Lai Foon haben die Chöre (Singapore Symphony Chorus und Singapore Symphony Youth Choir) tadellos vorbereitet. Die beiden Kollektive überzeugen durch kompakte Klanggewalt.

Geradezu ideal verschmelzen die Stimmen von Olga Peretyatko (klarer, heller Sopran) und Olesya Petrova (Mezzo-Sopran) im «Judex ergo», einer Sopran-Arie, die sich zum Duett weitet. Boris Stepanovs Tenor geht in Richtung tenore di grazia und begeistert mit purem Wohlklang. Christoph Seidl gibt die Bass-Partie mit mächtigem, gewaltigen, dunklen Bass.

Ein musikalisch höchst interessantes Werk, das als «Requiem» unsere Hörgewohnheiten oft überrascht!

27.04.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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