CD: JOSEPH LAUBER: SINFONIEN NR. 1 UND 2 – Sinfonie Orchester Biel Solothurn, Kaspar Zehnder
Musikalisches Jugendstil-Hotel in den Schweizer Alpen
Das Sinfonie Orchester Biel Solothurn unter seinem Chefdirigenten Kaspar Zehnder hat nach dem ersten Lockdown des Jahres vom 9. bis 13. Juni 2020 in der Berner Diaconis-Kirche die ersten beiden Sinfonien des Schweizer Komponisten Anton Joseph Lauber eingespielt und legt diese nun beim Label Schweizer Fonogramm als Weltersteinspielung vor.
Anton Joseph Lauber wurde am 27. Dezember 1864 in Ruswil in einfachen Verhältnissen geboren. Erst die Unterstützung durch den in Wald (Solingen) geborenen Carl Russ-Suchard, der ebenfalls aus einfachen Verhältnissen stammte, in die Chocolatierfamilie Suchard eingeheiratet hatte und die Firma dann zu Weltruhm führte, machte das Studium am Konservatorium in Zürich möglich. Dort studierte er bei Friedrich Hegar (1841-1927), Freund von Johannes Brahms und erster Chefdirigent des 1868 gegründeten Tonhalle-Orchesters, Komposition. Seine Studien vervollständigte er in München bei Josef Rheinberger () und in Paris bei Louis Diemer (1843-1919) und Jules Massenet (1842-1912). Was dann folgte, war eine typische Schweizerische Karriere: In Neuenburg war er Organist, dirigierte Chöre und Amateurorchester (wohl wie dasjenige seines Vaters, in dem er seine ersten Auftritte hatte). In Genf war er seit 1907 Professor für Klavier und Instrumentation am Konservatorium Genf, ab 1917 Professor für Komposition. Für zwei Spielzeiten war er zusätzlich erster Kapellmeister am Grand Théâtre de Genève. Nach einer Lehrtätigkeit, die die Schweizer Musiklandschaft prägte und einem gleichermassen weitläufigen vielgestaltigen Oeuvre von über 200 Werken starb er am 28. Mai 1952 in Genf.
Manuel Bärtsch vergleicht in seinem im Booklet der CD abgedruckten Essay „Versuch über Joseph Laubers erste und zweite Sinfonie“ den ersten Satz der ersten Sinfonie mit einem Jugendstilhotel in den Schweizer Alpen: einer bei allem Raffinement die Aura der Alpen bewahrende Architektur, in der nicht nur begüterte Franzosen und Russen ein- und ausgehen. Damit trifft er den Stil von Laubers Musik bestens: oft erinnert sie an den einen oder anderen Komponisten, von denen Lauber sich in Sachen Verfahren inspirieren lässt, die er aber, was Thema oder Ausdruck angeht, nie plump kopiert.
Lauber bietet ein reizvolles Wechselspiel über den Röstigraben hinweg. Leo Délibes, André Messager, Antonin Dvorak, Felix Mendelssohn Bartholdy, Johannes Brahms und Richard Wagner sind einige der Namen, die hier zu nennen sind.
Das Sinfonie Orchester Biel Solothurn unter seinem Chefdirigenten Kaspar Zehnder ist in perfekter Form und kostet Laubers überraschende Musik in unendlicher Spielfreude voll aus.
Eine Aufnahme, die grosse Freude macht und einen Schweizer Sinfoniker von Rang erstmals zu Gehör bringt!
30.11.2020, Jan Krobot/Zürich