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CD: JOSEPH HAYDN: L’ISOLA DISABITATA – Akademie für Alte Musik Berlin, Bernhard Forck

08.08.2021 | cd

CD: JOSEPH HAYDN: L’ISOLA DISABITATA – Akademie für Alte Musik Berlin, Bernhard Forck

Joseph Haydn: L'Isola Disabitata (CD) – jpc

 

«Weil der Text erhaben ist, so habe ich alle Recitative instrumentiert»

«Weil der Text erhaben ist, so habe ich alle Recitative instrumentiert» begründet Haydn seinen Verzicht auf Secco-Rezitative in dem Werk, das er für den Namenstag seines Dienstherren, Fürst Nikolaus Joseph Esterhazy am 6. Dezember 1779 komponiert hat. Als Libretto hat er auf eine Dichtung Pietro Metastasios, den er noch aus der Zeit, als sie beide im grossen Michaelerhaus wohnten, kannte, zurückgegriffen. 1753 hat Carlo Maria Michelangelo Nicola Broschi, genannt Farinelli, damals Leiter der italienischen Oper am Hof in Madrid, das Libretto zum Namenstag von König Ferdinand VI. bei Metastasio bestellt. Als Komponisten hatte Farinelli, dessen Gesangslehrer und dann enger Freund Metastasio war, einen Komponisten ausgesucht, der gleichzeitig mit Metastasio (und Haydn, als dessen Entdecker er gilt) im grossen Michaelerhaus wohnte: Nicola Porpora. Da Porpora erkrankt war, fand die Uraufführung am 31. März 1753 im Theater von Aranjuez in der Vertonung von Giuseppe Bonno (1711-1788) statt.

Haydn hat für seine Vertonung nun nicht auf den originalen Metastasio zurückgegriffen, sondern eine Bearbeitung für die azione teatrale von Luigi Bologna, die am 25. November 1777 in Wien uraufgeführt wurde. In dieser Bearbeitung erhielten die Gleichnisarie von Enrico («Chi nel cammin d’onore») und die Arie Silvias («Come il vapore») neue Texte und das Schlussquartett eine neue Form, die allesamt darauf abzielten, für die opera seria mit häufig bukolischen Zügen einen kräftigeren Ausdruck zu erreichen. Trotz diesen Änderungen sind für das Werk vor der Renaissance der Gegenwart nur eine Reprise in Esterházy und zwei sonstige Aufführungen überliefert.

Costanza und ihr Gatte Gernando sind mit Silvia, Costanzas jüngerer Schwester und Gernandos Gefährten Enrico nach Westindien unterwegs, als sie ein Sturm auf eine Insel im Atlantik verschlägt. Piraten verschleppen die Männer in die Sklaverei und die Frauen leben nun seit 13 Jahren ohne Hoffnung auf Rettung auf der Insel. Silvia (Sunhae Im mit jugendliche frischem Sopran), auf der Seereise noch so jung, dass sie an ihr früheres Leben keine Erinnerung hat, hat sich mit dem Leben auf der Insel arrangiert. Costanza (mit wunderbar reifem Sopran Anett Fritsch) hingegen würde die Frage, ob die Natur allein dem Menschen schon ein lebenswertes Umfeld bieten kann oder ob erst die Zivilisation dies kann, anders beantworten. Sie hat die Hoffnung aufgegeben und ritzt als letztes Lebenszeichen mit einem abgebrochenen Dolch eine Botschaft in einen Stein. Plötzlich entdeckt Silvia eine unbekannte Erscheinung am Horizont: ein Schiff. Gernando (Krystian Adam mit wunderbar hellem Tenor) konnte sich aus der Sklaverei befreien und hat nun die Insel, auf der er die Frauen zurückgelassen hat, wiedergefunden. Als Gernando den Stein mit der Inschrift entdeckt, will er auf der Insel bleiben und sterben. Silvia, die sich bereits in das unbekannte Wesen Enrico (mit kernig-elegantem Bariton André Morsch) verliebt hat, kann die beiden aufklären, das Costanza noch lebt. Beim Wiedersehen mit Gernando fällt sie in Ohnmacht und gibt Enrico so die Möglichkeit als Gernando beim Wasserholen ist, die Situation aufzuklären. Silvia muss ihr von Constanza vermitteltes Bild der Männer korrigieren. Glücklich begeben sich die beiden Paare auf die Heimreise

Den Solisten und der Akademie für Alte Musik Berlin unter der musikalischen Leitung von Bernhard Forck gelingt eine leidenschaftliche, lebendige und frische Einspielung der ursprünglichen Partitur, so wie sie am 5. oder 6. Dezember im Marionettentheater von Schloss Esterházy (das Opernhaus des Schloss war zwei Wochen zuvor abgebrannt) erklungen sein dürfte

Purer Genuss!

08.08.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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