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CD: JOSEPH HAYDN: DIE SCHÖPFUNG – SIR SIMON RATTLES Amtsantritt beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Live-Mitschnitt vom September 2023; BR-Klassik

14.02.2025 | cd

CD JOSEPH HAYDN: DIE SCHÖPFUNG – SIR SIMON RATTLES Amtsantritt beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks; Live-Mitschnitt vom September 2023; BR-Klassik

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Himmlisch musikalischer Liebesgruß zum Valentinstag: „O glücklich Paar, und glücklich immerfort, wenn falscher Wahn euch nicht verführt, noch mehr zu wünschen, als ihr habt….“

1991 nahm Rattle Haydns berühmtes Oratorium „Die Schöpfung“ nach einem Libretto von Gottfried van Swieten zum ersten Mal auf. Damals mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra, dem cbso Chorus und den Solisten Arleen Auger, Philip Langridge und David Thomas.

Für sein erstes Konzert als neuer Chefdirigent von Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks im Herkulessaal der Residenz kann man jetzt fast 35 Jahre später Rattles jubelnde Sicht auf dieses fantastische Stück nochmals genüsslich erleben.

Rattle wählt für die Vorstellung des Chaos fahl-leise Töne, die die berühmt explosive Chorstelle ‚…und es ward Licht‘ umso prächtiger leuchten lassen. Überhaupt bemüht sich Rattle, diesem prächtigsten aller deutschen Rundfunkorchester und dem überwältigenden Chor des Bayerischen Rundfunks vielfältigste lautmalerische Effekte im Werden der Natur, des Menschen und der Liebe zu entlocken.

Kaum je wurden das Gurren der Tauben, der Adler stolz, der Fische Gewimmel, die großen Walfische, das Löwengebrüll, das edle Ross und nicht zuletzt das kriechende Gewürm inniger, nichtsdestotrotz humorvoller besungen.

‚Der hellen Sterne Gold‘: Rattle lotet dynamisch und dramaturgisch farbenfroh die rührend naiv gezeichnete Schöpfungsgeschichte aus. Die von heftigen Rubati geprägte Temporegie (z.B. in den Rezitativen) bleibt Geschmacksache.

‚Stimmt an die Saiten, ergreift die Leier! Lasst euer Lobgesang erschallen!‘ Große und größte Freude bereitet der Chor des Bayerischen Rundfunks, der mit vorbildlicher Diktion, sattem, in allen Stimmgruppen ausgewogenem Klang mit dramatischem Aplomb das Firmament in sonnigstem Schein beschwört sowie die Macht und den Ruhm Gottes in polyphon barocker Zuversicht bis zum majestätisch jubelnden Schlusschor besingt. Die bekannt brillante Aufnahmetechnik des Bayerischen Rundfunks trägt das Ihrige zur Glorie des Gehörten bei. Außerordentlich ist zudem, wie Rattle die jeweils führenden Instrumenten im Orchestergewebe aufs akustische Podium bittet.

Das Solistentrio Lucy Crowe (Gabriel, Eva), Benjamin Bruns (Uriel) und Christian Gerhaher (Raphael, Adam) ist entsprechend der stimmungsvollen Live-Atmosphäre freudvoll und herzbetörend bei der Sache, ohne vokale Perfektion beanspruchen zu können.

Ob aber, wie im dritten Teil von Uriel so lieblich besungen, ‚Gott den Menschen nach seinem Ebenbilde‘ geschaffen hat und dieser ‚mit Würd‘ und Hoheit angetan, mit Schönheit, Stärk‘ und Mut begabt‘ ist, mag aus aktueller Sicht doch angezweifelt werden. Freilich, ‚in der Schöpfung steckt alles‘. Zugleich werfe das lichtdurchflutete Werk einige Schatten auf unsere eigene Gegenwart. Und so stimme ich mit Simon Rattle überein, wenn er fragt: „Was ist geblieben vom Geist der Aufklärung? Und was haben wir gemacht mit der ‚Welt, so groß, so wunderbar?‘

Für zwei Stunden können wir dem „Jetzt“ die pure Magie dieser musikalisch so optimistischen Gegenwelt entgegensetzen, dieser Haydn’schen Utopie vom Wunder unserer Existenz träumerisch lauschen. Natürlich haben sich die Rollenbilder der Geschlechter geändert, aber die Liebe in allen Formen, die Fähigkeit des Menschen zur Güte stehen über allem und sind jederzeit höchsten Lobes und Gedenkens, und das nicht nur am Valentinstag, wert.

Empfehlung!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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