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CD JOSEPH ALOYS SCHMITTBAUR: Sinfonien und Werke für Glasharmonika – Weltersteinspielungen; Profil Hänssler

12.01.2019 | cd

CD JOSEPH ALOYS SCHMITTBAUR: Sinfonien und Werke für Glasharmonika – Weltersteinspielungen; Profil Hänssler


„Platz meine Zeitgenossen! – Luft und Platz ! Ein Mann dessen Herold ich seyn muß – gerne seyn will, wenn ich ihm auch – fasces vortragen müßte. Denn euch unerkannt geht Grazie und Großheit dahin, und des Apollo Schüler seufzt über ein Jahrhundert, dessen Ehre er ist.“
Carl Ludwig Juncker im 1776 erschienenen Buch „Zwanzig Komponisten“.

Wer kennt nicht den Zauber der Glasharmonika, diesen fragil geheimnisvollen Klang gleichsam aus einer anderen Sphäre, der nicht nur Kinderaugen etwa bei Spieluhren, wo schöne alte Figuren mechanisch gedreht im Tanze ruckartig zu Leben zu erwachen scheinen, aufleuchten lässt. Opernfreunde werden die Aufnahme der ,Lucia di Lammermoor‘ mit Beverly Sills, Carlo Bergonzi, Piero Cappuccilli (Dirigent Thomas Schippers) kennen, wo die Koloraturen der Wahnsinnsarie der Protagonistin mit Glasharmonikaklängen unterlegt sind und imitiert werden. Der Ton wird durch Streichen der Glockenränder mit angefeuchteten Finger oder mechanisch erzeugt. Der Kapell- und Konzertmeister der Badischen Hofkapelle Schmittbaur muss ein guter Interpret auf diesem für heutige Ohren archaischen Instrument gewesen sein. Er erweiterte dessen Tonumfang bis auf das zweigestrichene C. Schmittbaur hat solche Harmonikas aber auch in kleinen Stückzahlen angefertigt und sie bis über badische Grenzen hinaus verkauft. So ist es nur logisch, dass das hier vorzustellende Raritäten-Album mit einem Rondo Andante für Glasharmonika beginnt. Im Zentrum der zu begrüßenden Ausgrabungen stehen drei Sinfonien in D-Dur und B-Dur. Sie wechseln sich mit den überaus charmanten Préludes IV. und V. Moderato und Adagio Molto ab. Philipp Marguerre spielt die einfachen, aber wirkungsvollen Pièces auf einem Verrophon, einem klangstärkeren modernen Glasinstrument.


Die Hof-Cappelle Carlsruhe, ein erstklassiges, (hier) zehnköpfiges Originalklangensemble unter der musikalischen Leitung von Kirstin Kares, stürzt sich mit Energie und überschäumender Spiellust auf die drei aus verschiedenen Schaffensperioden stammenden Sinfonien. Freilich fiepen und quäken die Oboen bisweilen, und die Intonation bei alten Instrumenten lässt bisweilen zu wünschen übrig. Auch die Hörner können nicht mit der Perfektion moderner Instrumente mithalten. Dafür ist die Artikulation lebendig und erdig lebensstark. Die aristokratische Musik bekommt einen ländlich handfesteren Charakter. Das landgräfliche Paar tanzt das Menuett eben in ungeputzten Jagdstiefeln. Als könnte der Hörer das Leben von damals mit Händen fassen.


Insgesamt hat Schmittbaur 40 Sinfonien geschrieben, insgesamt mit Kirchen-Musiken, Opern, Operetten, Serenaden, Arien, Kammermusik und Konzerten ein reiches und unerschöpfliches musikalisches Erbe hinterlassen. Die frühe Sinfonie in B-Dur nur für Streicher im Jahr 1770 in Rastatt entstanden, steht zwei reifen, 25 Jahre später in Karlsruhe geschriebenen Werken des schon achtzigjährigen Komponisten in D-Dur, für Oboen, Hörner, Pauke und Streicher sowie in B-Dur- für Oboen, Hörner und Streicher gegenüber. Formal von der Mannheimer Schule beeinflusst, scheinen in diesen Sinfonien aller Schalk und koboldhafte Verspieltheit bei komplex harmonischem Aufbau seines Vorbildes Haydn wesensbestimmend. In der dreisätzigen D-Dur Sinfonie sind die „Couplets Fugati, deren Anlage deutlich an barocke Vorbilder, insbesondere an Händel erinnern.“ (Rüdiger Thomsen-Fürst).

Ein Album purer Freude und lohnender Entdeckungen. Es wäre großartig, wenn das umfangreiche Schaffen Schmittbaurs (er ist 92 Jahre alt geworden!) weiter erforscht und in exzellenten Aufnahmen wie der vorliegenden zugänglich gemacht wird.


Dr. Ingobert Waltenberger

 

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