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CD JOSÉ DE NEBRA: VENUS Y ADONIS – Weltersteinspielung dieser extravaganten spanischen Barockoper; aparte

22.01.2025 | cd

CD JOSÉ DE NEBRA: VENUS Y ADONIS – Weltersteinspielung dieser extravaganten spanischen Barockoper; aparte
 Barocke Bravour für fünf Frauenstimmen

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José Melchior Baltasar Gaspar de Nebra Blasco, 1702 in Calatayud geboren, gilt als einer der originellsten Vertreter der spanischen Barockmusik des 18. Jahrhunderts. Kann sein, dass er nach unserem aktuellen Wissensstand der interessanteste von allen damaligen Tonsetzern Spaniens ist. Nach Stationen als Organist und Kapellmeister an der Kathedrale von Cuenca, Organist und Musiker in den Diensten des Herzogs von Osuna landete Nebra am königlichen Hof in Madrid, wo ab 1724 als erster Organist an der Capilla Real wirkte. Als Lehrer hatte er so prominente Schüler wie den Infanten Don Gabriel oder den späteren Komponisten Antonio Soler. Aber nicht nur das: Er lieferte zahlreiche Opern und Zarzuelas für Madrider Privattheater, bevor er nach der Thronbesteigung von Ferdinand VI. sich in seiner Funktion als Vizekapellmeister ab 1751 an nur noch auf Kirchenmusik konzentrierte.

Seine Musik verrät in ihrer prunkvollen Virtuosität und raffinierten Instrumentierung italienische Einflüsse, amalgamiert diese jedoch mit Elementen spanischer Folklore. Die Ersteinspielung des pastoralen Melodramas Venus y Adonis ist dem Ehrgeiz des Dirigenten und Begründers des Ensembles Los Elementos, Alberto Miguélez Rouco, zu verdanken. Er steckt mit seiner Begeisterung, das umfangreiche Schaffen des Komponisten neu beleben und via einer gezielten Aufnahmepolitik allgemein zugänglich machen zu wollen, auf ganzer Linie an.

Das Ensemble Los Elementos wurde 2018 genau zu dem Zweck gegründet, Nebras Zarzuela „Vendado es Amor, no es ciego“ zum ersten Mal mit historischen Instrumenten aufzuführen. Das Orchester besteht aus Musikern mehrerer Nationalitäten, ein stärkerer Bezug besteht zur Schola Cantorum Basiliensis in der Schweiz. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die vorliegende Aufnahme im November 2023 im Landgasthof Riehen in der Schweiz entstand.

De Nebras 1729 geschriebene Oper „Venus y Adonis“ folgt der berühmten Geschichte aus der römischen Mythologie in der Version von José de Canizares. Demnach ist die Göttin Venus sauer auf Adonis, weil dessen umwerfende Schönheit ihre eigene unziemlich herausfordert. Logischerweise startet die Oper mit einer fetzigen Wutarie der Venus, und das nach einem Chor, der klarmacht, dass es der Jüngling Adonis ist, dessen Grazie und tolles Aussehen Apollo beleidigt und Venus brüskiert.

Die in Mailand geborene Flötistin und lyrische Sopranistin Paola Valentina Molinari bittet als Venus ihren Lover Mars eindringlich, Adonis zu töten. In dieser Oper ist der Kriegsgott als Hosenrolle konzipiert und wird von der baskischen Sopranistin Jone Martinez mit traumhaft samtig bis in allen Bernsteinfarben schillerndem Timbre kriegerisch und dennoch seelenvoll verliebt interpretiert. Ein belkantesk gewürztes Duett zweier Sopranistinnen (Aria a dúo), eines der reizvollsten, das ich kenne, in der Form eines sich gegenseitig anstachelnden Zwiegesangs der beiden Gottheiten (Schönheit gepaart mit Macht) besiegelt die Rachepläne.

Ein zweites Buffopaar, Clarin und Celfa, bildet den Gegenpol zum Liebesdrama. Voller Wortwitz lässt Ana Vieira Leite als Nymphe Celfa in der Arie ‚Cualquiero mozuela‘ (Scene IX) kastagnettenklappernde Fandangorhythmen und Anklänge an den Zarambeque, einen populären Tanz afrikanischen Ursprungs (oftmals in Gitarrenmusik verwendet) vom Stapel.  

Ebenfalls Sopranistin, ist Vieira Leite Gründungsmitglied des auf die Musik des 16. und 17. Jahrhunderts spezialisierten Ensembles O Bando de Surunyo. Die Mezzosopranistin Judit Subirana hingegen macht als Adonis Freund Clarin in volkstümlicher Manier eine nicht minder gute Figur. Clarin warnt Adonis vor den Unbilden der Jagd.

Mars stachelt mit Hilfe der Göttermutter vom Berg Cybele (die in pastosen Klängen schwelgende Kontraaltistin Margerita Maria Sala in dieser Rolle ist hinreißend; was für eine Entdeckung, hören Sie die Arie ‚Ya de la nube de la montana‘) einen gewaltigen Eber an, Adonis aufzuspießen. Aber wie das Schicksal so will, begegnet Venus dem holden Adonis und verliebt sich unsterblich in ihn. Als Adonis versucht, den Eber zu töten, kommt er – vom lieben Vieh umgerammt – selbst ums Leben. Adonis stirbt in den Armen der unteröstlichen Göttin Venus und wird von ihr zu seiner Unsterblichkeit in eine Blume verwandelt.

Um die Oper aufführen zu können, mussten – nur die Notierungen der ersten Violine, der Stimmen und des Basses haben überdauert – die restliche Instrumentierung rekonstruiert werden als auch die zahlreichen Fehler in der Kopie korrigiert werden.  Damit die Übung gelingt, hat Alberto Miguélez Rouco alle erhaltenen geistlichen wie szenischen Werke des Komponisten, besonders dessen um ein Jahr ältere Oper „Amor aumento el valor“, genau studiert. Zudem halfen original orchestrierte Stellen in anderen Werken, in denen de Nebra auf Fragmente aus „Venus y Adonis“ zurückgegriffen hat. Als Ouvertüre verwendet Rouca die in der Kathedrale von Saragossa erhaltene fünfsätzige Symphonie in F-Dur.

Wer denkt, dass die Musik dem Sujet entsprechend nur in einem einzigen Moment schwerfällig oder allzu harmlos pastoral wäre, irrt gewaltig. Temperamentvolle, in typisch spanischer Manier festlich überschäumende Arien, reizvoll unterschiedlich timbrierte Sopranstimmen kunstvoll ineinander webende Duette, gestandete Chöre und ein in allem barocken Prunk leuchtendes Orchester mit Streichern, Laute, Barockgitarre, spanische Doppelharfe, Cembalo, Hörnern, Trompeten, Oboen, Blockflöten und Schlagzeug machen diese „Venus y Adonis“ zu einem echten Juwel.  

Orchester und Chor von Los Elementos unter der beschwingten, feurigen Leitung von Alberto Miguélez Rouco lassen die Geschichte in aller glutvollen Leidenschaft, Zarzuela-Leichtigkeit und lautpinselndem Humor erstehen. Seinen Höhepunkt findet der brütende Spass in dem hühnergackernden Duett von Celfa-Clarin ‚Ay, mi bienque espanto!‘. Das Ende der Oper besingt den ewigen Glanz der Venus. Dem Chor kommt für die gar nicht blöde Moral von der Geschicht‘ betreffend den Sieg Cupidos das letzte Wort zu: „Es ist kein kleiner Sieg, o liebes Publikum, wenn er uns lehrt, Fehler zu vergeben.“ Vorhang

Fazit: Bitte mehr von diesen musikalischen Köstlichkeiten! 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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