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CD JOHANN STRAUSS II „RITTER PÁSMÁN“ – Live Mitschnitt der einzigen Komischen Oper des Walzerkönigs

27.10.1975 aus dem Wiener Musikverein; Orfeo d’Or

18.05.2021 | cd

CD JOHANN STRAUSS II „RITTER PÁSMÁN“ – Live Mitschnitt der einzigen Komischen Oper des Walzerkönigs vom 27.10.1975 aus dem Wiener Musikverein; Orfeo d’Or

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Wer kennt sie nicht die, „Alten Rittersleut“, dieses deftige Spottlied über das ach so schwere Leben und die die erotischen Widrigkeiten der Ritterschaft in der melodisch eingängigen Version des Karl Valentin? Valentin stützte sich auf die Ritterballade „Ujeh, die alten Rittersleut“ von August Endres, erfand aber wie so manch anderer neue Strophen zum fantastisch-derben Sujet. Zu ,poetischen‘ Ergüssen wie „Zu Grünwald drunt´ im Isartal, Glaubt es mir, es war einmal, Da ham edle Ritter g´haust, Denne hat´s vor gar nix graust.“ gesellten sich Strophen wie „Ritter Max von Freising drunt´, War a oider geiler Hund, Wollt immer nur nach Maderln schau´n, Doch einmal hat´s ihn umgehau´n.“ oder „Wollt´ ein Ritter einmal schnackseln, Musst´ er aus der Rüstung kraxeln, Dabei ward ihm der Spaß verdor´m, Deshalb san´s heut ausgestor´m“.

Die einzige Komische Oper aus der Feder von Johann Strauss II „Ritter Pásmán“ ist da von anderer, wesentlich gemütlicherer Gangart. Ein verhuscht keusches Busserl ist das höchste der Gefühle, die sich Mann im außerehelichen Minnewettbewerb traut.

Die dreiaktige, 1892 aus der Taufe gehobene Oper (die Geschichte taugt gerade einmal zum Operetterl) basiert auf einem Libretto von Ludwig von Dóczi nach der Erzählung „Pásmán Iovag“ von János Arany. Ein ungarisches Leichtgeschütz à la Somlauer Nockerln, das dem begnadeten Melodiker Strauss immerhin Gelegenheit zu allerlei Csardasklängen, wohligen Sentimentalitäten und flotten Jägerchören bot.

Die allzu harmlos hanebüchene, ab Vorkindergarten völlig jugendfreie, und aus heutiger Sicht absolut bühnenuntaugliche Geschichte aus dem 14. Jahrhundert geht in etwa so: 

König Robert von Anjou stößt inkognito zur Jagdgesellschaft des Ritter Pásmán. Es handelt sich um eine sonderbare Truppe an Eingeladenen, wo keiner weiß, wer der oder die andere ist. Auch Pásmán erkennt offenbar seinen Chef, den König, nicht. So trifft dieser King Robert auf eine kokette Frau, der er als Zeichen der Zuneigung ein zartes Bussi auf die Stirn haucht. Das war es dann schon an Frivolitäten. Das Blöde ist nur, die wohlgewogene Busserlempfängerin ist die paradiesische Eva, des Ritters Ehegespons. Der so fast gehahnreite Ritter erfährt von seinem Knappen vom Kuss, tobt eifersüchtig herum und beschwert sich beim König über den ‚unbekannten‘ Kussdieb. Als die sinnbeschwipste Wahrheit ans Tageslicht kommt, darf Pásmán als Ausgleich für des Königs Ausrutscher der Königin – natürlich mit deren Einverständnis – daselbst die Stirne küssen. Der diplomatischen Retorsion ist Genüge getan. Ende dieser abstrusen „Busserlgate“-Oper.

Wenn man sich die Besetzung in bester Wiener Hausmannskostmanier aus dem Jahr 1975 näher ansieht, so ist zumindest verständlich, dass die Königin (prächtig blühend die junge Sopranistin Sona Ghazarian) dem feschen Ritter die edle Stirn bietet. In der konzertanten Aufführung aus dem Musikverein unter der gediegenen musikalischen Leitung von Heinz Wallberg ist nämlich kein Geringerer als Eberhard Waechter in der Rolle des gekusshörnten Rittermanns aufgeboten. Dieser meiner Empfindung nach intensivste aller Posas‘, Amfortas‘, Jochanaans oder Scarpias‘ ist eine Idealbesetzung, weil er dem virilen Kavaliersbariton auch jenes Maß an Bühnenhumor zur Seite stellt, den diese zwischen Eisenstein, Mikro-Otello und Tannhäuser-Wolfram angesiedelte Partie braucht.

Musikalisch hat dieser „Ritter Pásmán“ durchaus seine Meriten. Zwar plagt sich Strauss unüberhörbar mit den Ansätzen zu einer durchkomponierten Form, da hakt und eckt es manchmal ganz gehörig. Dafür bezaubert die magyarische Exotik der Partitur, durchmischt mit meistersingerlichen und anderen wagnerischen Anleihen, alles gut gerührt und fluffig gebacken sowie mit einer besonders schwelgerischen hochromantischen Instrumentierung zuckrig übergossen.

Als Diva darf die fabelhafte Mezzosopranistin Trudeliese Schmidt eine sinnlich röhrende Eva geben, ihr dezenter royaler Verehrer Karl Robert von Anjou wird von Josef Hopferwieser gesungen. Der vielseitige Grazer Tenor trat alleine an der Wiener Staatsoper in 472 Aufführungen in insgesamt 35 verschiedenen Partien auf. Er verfügte zwar über keine verführerischen Stimmfarben, war aber mit einer unfehlbaren Technik und ebensolchen Höhen gesegnet, stellte also den Prototypen eines verlässlichen Haustenors dar. Hier glänzt er vor allem in den ausführlichen Duetten mit Eva im ersten und zweiten Akt mit Emphase und feiner Phrasierung. In kleineren Rollen ergänzen charaktervoll Artur Korn als Hofnarr Rodomonte, Horst Witsche als Hofmarschall Omodé, Axelle Gall als Evas Zofe Gundy und Peter Drahosch als Pásmáns Knappe Mischu.

Das RSO Wien und der ORF Chor bestätigen einmal mehr auch im Rückblick ihren hervorragenden Rang in der Wiener Orchesterlandschaft. Die Aufnahmequalität hingegen ist kein Ruhmesblatt des ORF. Das verfügten etwa die bayerischen Toningenieurskollegen über wesentlich besseres ‚know how‘. Zum Glück sind aber wenigstens die Stimmen präsent und natürlich eingefangen. Melomanen aller Kontinente dürfen sich freuen.

Als Bonus gibt es die komplette Ballettmusik aus „Ritter Pásmán“ mit dem Staatlichen slowakischen philharmonischen Orchester, dirigiert von Alfred Walter, vom August 1993 zu hören.

Fazit: Für Nostalgiker und ausgefuchste Raritätensammler ein Volltreffer aus den Archiven, zumal es sich um die einzig verfügbare Aufnahme der Oper handelt.

Anm.: Beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 2019 dirigierte Christian Thielemann den „Eva-Walzer“ nach Motiven aus „Ritter Pásmán“. Vor ihm hat – für das Neujahrskonzert 1989 – bereits Carlos Kleiber den Csardas aus „Ritter Pásmán“ ins Programm genommen. Sehr empfohlen sei auch die Einspielung der gesamten Ballettmusik mit Richard Bonynge und dem National Philharmonic Orchestra (DECCA).

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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