CD JOHANN SIMON MAYR „ALFREDO IL GRANDE“ Weitersteinspielung der Opera seria in 2 Akten in der Mailänder Version 1819; Naxos
Veröffentlichung: 11. Februar 2022
Es gibt Dirigenten, die ihre Aufnahmetätigkeit konzentriert einem Komponisten widmen. War das bei der Wiederentdeckung von Hector Berlioz eindeutig Colin Davies, so können wir in Verbindung mit dem umfänglichen Werk des Johann Simon Mayr ganz klar den Kirchenmusiker, Organisten und Chorleiter Franz Hauk als spiritus rector einer Mayr-Renaissance benennen. Er hat für Naxos nicht nur schon zahlreiche Opern eingespielt (z.B.: Elena, Le Due Duchesse, I Cherusci, Gloas, Saffo, Samuele, Telemaco oder Amore non soffri opposizioni) sondern auch Oratorien (David in spelunca Engaddi, Tobiae matrimonium, Arianna in Nasso), weiters Motetten, Kantaten (L’Armonia), geistliche Werke (Te Deum, Stabat Mater, Miserere, Messe in Es-Dur, Requiem) und Ouvertüren.
Die jüngste Publikation bringt uns die Begegnung mit der 2019 aufgenommenen romantischen Oper „Alfredo Il Grande“. Die am zweiten Weihnachtsfeiertag 1819 in Bergamo aus der Taufe gehobenen Oper auf ein Textbuch von Bartolomeo Merelli spielt im mittelalterlichen England im späten 9. Jahrhundert. Damals gelang es den Angelsachsen, die dänischen Wikinger in ihrer Aggression zu bremsen. Genauer gesagt, war es der westsächsische König Alfred, der den Dänen 1878 bei Edington entschieden und erfolgreich entgegentrat. Als Herrscher und Schutzherr unternahm er eine Reihe an Reformen nach dem Vorbild Karls des Großen, stiftete Schulen und Klöster. Politisch legte Alfred den Grundstein für die Vereinigung aller Gebiete des heutigen England.
Der daher verehrte und als “Großer“ bezeichnete König taugt natürlich auch für einen Opernstoff. Der Plot ist, wie es sich für so eine in ständigen Verwechslungen und Schicksalsumschwüngen schwelgende Hau- und Degenoper gehört, verwirrend und hanebüchen unlogisch. Wir werden Zeugen einer putzigen Burgbelagerung und einer Liebesgeschichte comme il faut mit einem Schuss hochromantischen Pathos “Kein Glück ist wahrer Liebe” vergönnt. Natürlich kommt es aber ganz anders. Elfrido (=Alfredo incognito) liebt Alsvita, die Tochter des Burgherrn Etelberto. Dem dänischen Raubkrieger Gutrumo ist der zeitweilige Erfolg in den Kopf gestiegen, der wilde Wikinger will Alsvita haben. Während der Trauungszeremonie betritt der als tot geglaubte Elfrido als schottischer Barde verkleidet die Szene. Schließlich wird er erkannt, gefangengenommen, aber von einigen als Schäfern verkleideten Anhängern wieder befreit. Alsvita schmachtet derweilen noch immer im unterirdischen Verlies, wird aber flux von Elfrido und Etelberto aus der Gefangenschaft erlöst. Elfrido besteigt unter Siegesmarschklängen den im Hof errichteten Thron. Alsvita erkennt, dass ihr geliebter Elfrido in Wahrheit der König Alfred ist und darf sich schon auf die Hochzeit samt Krone freuen. England ist nach fünf Jahren Kampf wieder befreit. Freude, Friede und Waschtrog überall im Land.
Die Musik entspricht grosso modo einem gekonnt gezimmerten Belkanto. Der Donizetti Forscher John Stewart Allitt spricht von einem “dolce stile nuovo.” Es gibt Anklänge an Mozart und Rossini zu entdecken, der Hörer freut sich ähnlich wie in Donizetti-Opern über elegisch schmachtend bis einfach gestrickte Melodien. Große Chöre durchziehen das heroisch romantische Melodramma. Die Besetzung mit der jungen, überwiegend in den lyrisch leichtgängigen Arien und Ensembles überzeugenden Mezzosopranistin Marie-Luise Dressen als Titelheld Alfred, dem dunkler und dramatischer gewordenen Tenor Markus Schäfer als Gutrumo, dem in Wien bestens bekannten Bariton Daniel Ochoa als Etelberto und Sophia Körber mit ihrem klangvollem, apart timbrierten lyrischen Sopran als begehrter Alsvita ist gediegen. In kleineren Rollen gefallen Anna Feith (Alinda) und Philipp Polhart (Amundo).
Der Simon Mayr Chorus ist diesmal mit hörbarem Qualitätsgewinn durch Mitglieder des Bayerischen Staatsopernchors verstärkt. Franz Hauk am Cembalo dirigiert das Orchester Concerto de Bassus, bestehend vor allem aus jungen Graduierten der Hochschule für Musik und Theater München und deren Professoren mit der ihm eigenen Begeisterung und spannungsgeladen-dramaturgischem Geschick, die sich eins zu eins auf die Hörerschaft übertragen. Eine Weltersteinspielung mit Pfiff und Tempo.
Dr. Ingobert Waltenberger