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CD JOHANN SEBASTIAN BACH „MESSE in h-Moll; BWV 232 – RENÉ JACOBS leitet die Akademie für Alte Musik Berlin und den RIAS-Kammerchor; harmonia mundi

20.05.2022 | cd

CD JOHANN SEBASTIAN BACH „MESSE in h-Moll; BWV 232 – RENÉ JACOBS leitet die Akademie für Alte Musik Berlin und den RIAS-Kammerchor; harmonia mundi

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„Die in jüngster Zeit für Bachs große katholische Messe zuzeiten eingesetzten minimalistischen Sängerbesetzungen haben so gut wie nichts mit historical informed practise zu tun“, beklagt der Dirigent und gibt sogleich den Tonus für die Neuaufnahme vor. Jacobs neue, besonders von der überwältigenden Chorleistung her maßstabsetzende Neueinspielung der bedeutendsten Messkomposition des Abendlandes steht im Zeichen des vokalen Concerto Grosso. Das ist eine abwechselnde Gegenüberstellung des gesamten Chorklangs (Ripieno) und einer kleinen Solistengruppe (Concertino) als Bachs Ideal in seinen Chorwerken.

Bei René Jacobs Aufnahme der h-Moll Messe bilden der RIAS Kammerchor und die Solisten einen einzigen Chor der Gläubigen. Die Arien und Duette sollen dabei nicht wie Einlagen zwischen den Chorsätzen wirken, sondern sie gehören – wie Jacobs das sehr schön präzisiert – zusammen. Die Arien erwachsen sozusagen organisch aus den Chören, wie die jungen Sprösslinge aus der Erde. Die Aufstellung und Gliederung der Chöre folgen diesem Prinzip. Die große Besetzung des Chors – ohne Solisten – kommt beim „gravitätischen Hallen und Schallen“ der im Stile antico komponierten Nummern zum Einsatz. Eine kleinere Besetzung des Kammerchors mit drei Sängern pro Gruppe singen bestimmte Abschnitte der im „modernen Stil“ geschriebenen Chöre. Das externe Solistenensemble wiederum singt die hochvirtuosen opernhaften Arien und Ensembles sowie auch die subjektiven affektgeladenen Ensembles. In den großen Chorsätzen sind die Solisten für die kürzeren Abschnitte verantwortlich. Zusätzlich verstärken und subjektivieren sie den Kammerchor. Im zweichörigen „Osanna in excelsis“ übernimmt das externe Solistenensemble (Robin Johannsen Sopran, Marie-Claude Chappuis, Mezzosopran, Helena Rasker, Alt, Sebastian Kohlhepp, Tenor, Christian Immler, Bass) die Partie des ersten Chors. 

Das ist die Versuchsanordnung, mit der Jacobs räumliche und dramaturgisch feingewirkte Ergebnisse erzielt, die ich noch in keiner anderen Aufnahme der h-Moll Messe gehört habe. Hier erhält historisch informiert einen völlig neuen Ansatz. Nicht die klanglich dünnste und anämischste Interpretation mit einer Handvoll Sängern, die auch noch den Chor singen, soll einer historisch geglaubten Authentizität – vom 21. Jahrhundert nach rückwärts projiziert – auf die Sprünge helfen. Jacobs fluide Gangart, sein Gespür zur Animierung des instrumentalen und vokalen Ideenschatzes, ihre Fassung in einen logisch begründbaren musikantischen Rahmen, das Wissen des Sängers Jacobs um Atmung und Pulsschlag dieser Musik ergeben stupende Eindrücke, spirituell als auch musikalisch.

Der RIAS Kammerchor, einer der besten Konzertchöre der Welt, als auch die beherzt und klangschön aufspielende Akademie für Alte Musik Berlin folgen Jacobs willig und mit Überzeugung in seinem innovativen Konzept.  

Ein Meilenstein in der Bach-Rezeption!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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