CD JOHANN SEBASTIAN BACH: Hornkonzerte mit RADEK BABORÁK und den BERLINER BAROCK SOLISTEN; hänssler Classic
Der tschechische Hornist und Dirigent Radek Baborák hat eine CD mit Bachs „Hornkonzerten“ vorgelegt, obwohl Bach für das Instrument Waldhorn weder ein Konzert noch ein Solo-Stück komponiert hat. Wie geht das? Der Ex Solohornist der Berliner Philharmoniker begann schon früh, die Solo-Suiten für Violoncello trotz der „vielen Noten“ auf dem Horn nachzuspielen. Das hat so gut funktioniert, dass Baborák andere Werke für Horn spieltauglicher gemacht hat und zu diesem Behuf in andere Tonarten transponiert hat, als da waren Sonaten für Cembalo, teile der Violin-Sonate, Partiten oder Choralvorspiele für Orgel.
Bei den drei hier gemeinsam mit den Berliner Barocksolisten (die sich mehrheitlich aus Mitgliedern der Berliner Philharmoniker rekrutieren und auf modernen Instrumenten spielen) vorgestellten Konzerten handelt es sich um komplexe Rekonstruktionen. Das Konzert in Es-Dur weist auf das Cembalokonzert BWV 1053 und greift idZ auf ein mutmaßliches Bratschenkonzert in Es-Dur aus der Köthener Bach-Zeit zurück. Wie Gerhard Forck in seinem Aufsatz „Man kann sich Bach auf vielerlei Art nähern“ erläutert, hat Baborák für das „Hornkonzert“ in B-Dur eine Rekonstruktion eines „Konzertes für Oboe d’amore“ in A-Dur, aus dem Bachs Cembalokonzert BWV 1055 hervorging, verwendet. Beim Konzert in d-Moll stellt sich die Quellenlage nochmals vielschichtiger dar: Das Cembalokonzert BWV 1059, dessen Niederschrift nach nur neun Takten abbricht, hat zwei Instrumentalsätze aus der Kantate „Geist und Seele“ BWV 35 zur Vorlage. Daraus zimmerte Baborák die Ecksätze des Konzerts. Für das kurze Adagio wählte Baborák den entsprechenden Satz aus Alessandro Marcellos Oboenkonzert. Die Verbindung zu Bach gründet sich auf des Komponisten Bearbeitung italienischer Konzerte aus seiner Zeit als Weimarer Hoforganist.
Natürlich musste Baborák im Vergleich zum Cembalo mit der Anzahl der Noten runter (“Das macht auch den experimentellen Charakter der Produktion aus“) und gehörig üben, um mit den langen Phrasen zurecht zu kommen, die Streicherbegleitung hat er aber zu 99 Prozent belassen. In den lang gehaltenen Trillern scheint Baborák die Schwerkraft seines Instruments aufzuheben. Als Hornist besticht er generell durch die stupende Qualität seines Tons sowie runde dunkle und ebenmäßig modulierte Phrasen. All das geschieht mit großer Leichtigkeit, einer bewundernswerten Selbstverständlichkeit. Auf ihre Art sind die Horn-Versionen der berühmten Original-Konzerte sicher eindrucksvoll gelungen und reizvoll, aber durch die Spezifika des Instruments auf Dauer halt aller demonstrierten Meisterschaft zum Trotz auch eintöniger und weniger spritzig als auf Cembalo gespielt. Auf sehr hohem Niveau assistieren die Berliner Barocksolisten, zwar an der historischen Aufführungspraxis orientiert, aber „nicht mit dieser Dogmatik, wie man sie von einigen Spezialensembles kennt.“
Der Tausendsassa Baborák gründete die Czech Sinfonia, er leitet das West Bohemie Symphony Orchestra in Marienbad als auch das Festival „Lebendes Grenzland“ und das Mozart-Fest in Prag.
Dr. Ingobert Waltenberger