CD JOHANN JOSEPH FUX „DAFNE IN LAURO“ – Ein Kammerspiel zur Geburtstagsfeier Ihrer kaiserlich und katholisch-königlichen Majestät, Karls VI., Kaiser der Römer, im Jahr 1714; Arcana
Live Mitschnitt von den Fux-Festspielen der Styriarte 2019
„Es gibt keinen Frieden und keine Ruhe in der Seele, wenn sie in den Fesseln Amors gefangen ist. Wenn sich die Schönheit verliebt, wird sie unglücklich und rasend. Nur wenn sie keine Liebe fühlt, ist sie glücklich.“ Diana und Dafne im Duett
Na endlich! Nachdem schon ziemlich viele Opernschätze von Vivaldi, Händel, Lully, Rameau und vieler anderer Barockmeister italienischer, deutscher oder französischer Provenienz gehoben sind, entsann sich Graz 2018, die grandiosen Meisterwerke ihres erlauchten steirischen Landsmanns Johann Joseph Fux auf die Bretter zu hieven, die die Welt bedeuten. In einem bedeutsamen und mutigen, auf die Jahre 2018-2023 ausgelegten Projekt werden sechs Fux-Opern in der Helmut List Halle Graz aufgeführt werden. Den Start machte 2018 „Julo Ascanio re d‘Alba“, gefolgt von „Dafne in lauro“ im Juni 2019.
Das Leben und die Karriere des 1660 in Hirtenfeld als Sohn des Bauern Andreas Fux geborenen Johann Joseph gäbe genug bunten Stoff für einen Netflix-Serienhit. Schließlich hat es der Bub vom heimischen Stall und Hof bis zur höchsten Musikposition im damaligen Europa, nämlich derjenigen des kaiserlichen Hofkapellmeisters, gebracht. Belegt ist eine Station an der Jesuitenuniversität Ingolstadt, über die weitere Ausbildung kann nur spekuliert werden. Hört man Fux‘ prächtig einfallsreiche Musik, besteht kein Zweifel daran, dass kundige (italienische) Lehrer am Werk waren. In Wien bekleidete Fux das Amt eines Organisten am Schottenstift, bis ihn Kaiser Leopold I. zum Hofkomponisten ernannte. Joseph I. schätze den steirischen Künstler ebenso wie Kaiser Karl VI. Sie bestellten repräsentative italienische Opern, Oratorien und allerlei Kirchen- und Kammermusik bei ihm.
„Dafne in lauro“ auf ein Libretto des Doktor Pietro Pariati, wurde am 1. Oktober 1714 anlässlich eines geburtstäglichen Abendfestes in der Favorita, dem kaiserlichen Lustschloss auf der Wieden, uraufgeführt. Das bukolische Spiel der Jagdgöttin Diana, die ihre Nymphen vor den Machenschaften des Liebesgottes Amor warnt, gibt Johann Joseph Fux Gelegenheit, mit virtuos verzierten Belcanto Arien zu glänzen, und die Bühne mit Tanzrhythmen (Bourrée, Menuett, Gigue, Sarabande, Chaconne) in einen anmutigen Ballettzaubergarten zu verwandeln.
Amor spielt in dem Stück Apoll übel mit. Getroffen von einem glühenden Liebespfeil verfällt er der schönen Maid Dafne. Merkur mahnt den liebestollen Gockel zwar zur Mäßigung, der armen Nymphe bleibt aber nach dreimaliger „göttlicher Belagerung“ nichts anderes übrig, als sich in einen Lorbeerbaum zu verwandeln. Die Jungfernschaft der Dafne ist damit gerettet, Apoll erklärt das heroische Grün zum Symbol höchster Tugend.
Johann Joseph Fux lässt sein Personal koloraturreich schnörkelig über Liebe schadronieren, über schöne Rosen, andere Blumen, das Bächlein auf der Wiese und schmucke Vögelchen fantasieren sowie seufzend-elegisch über Tugend fabulieren. Jagdfanfaren ertönen, wir fühlen die „glücklich seligen Lüfte“ über die Wieden wehen. Jenem Schelm gebührt die rote Karte, der aus dem Text erotische Anspielungen herauslesen sollte. Dafne als Spielball launischer Götter triumphiert jedenfalls am Ende und beweist so – keusch geblieben – ihre moralische Überlegenheit.
Die bunt instrumentierte Musik besitzt höchsten Unterhaltungswert, geizt aber auch nicht mit spiritueller Tiefe. Der gerade einmal 29-jährige Kaiser wird sich über dieses klingende Geburtstagspräsent seiner 23 Jahre jungen Gattin Elisabeth Christine sicher gefreut haben.
Mit diesem Album darf auch eine junge, charaktervoll singende und flötengleich jubilierende Besetzung vor den Vorhang gebeten werden. Monica Piccinini als Diana, Arianna Venditelli als Dafne, Sonia Tedla Chebreab als Amore (allesamt Soprane), der Countertenor Raffaele Pe als Apollo und schließlich der Tenor Valerio Contaldo als Mercurio werden vom Zefiro Baroque Orchestra unter der künstlerischen Leitung von Alfredo Bernardini mit Schwung und con brio begleitet.
Hoffentlich treibt die noch zarte Pflanze einer Fux-Renaissance noch üppige Blüten und weit greifende Triebe. Zu wünschen wäre es, die Qualität der Musik ist stupend und auf Augenhöhe mit anderen italienischen Opern des frühen 18. Jahrhunderts.
Fazit: Ein interpretatorisch unverzichtbares, musikgeschichtlich wertvolles und wichtiges Album!
Anmerkung: 2020 wurde die Oper „Gli ossequi della Notte“ im Rahmen des Festivals Styriarte wiederentdeckt, die Serenata „Psiche“ war dieses Jahr an der Reihe. In den folgenden Jahren will man in Graz noch die Fux-Opern „La corona d‘Arianna“ und „Costanza e Fortezza“ aufführen.
Dr. Ingobert Waltenberger