CD JOHANN ADOLF HASSE „ENEA IN CAONIA“, Serenata in zwei Teilen, Weltersteinspielung; cpo
Ein junger Musiker, Sänger und Komponist aus Bergedorf bei Hamburg kam als Zwanzigjähriger ins unter österreichischer Herrschaft stehende Neapel, die damalige Hauptstadt der Musikwelt. Die Stadt verfügte damals über vier Konservatorien, das musikalische Leben in Kirchen und Klöstern blühte. Sogar der große Alessandro Scarlatti nahm den hochbegabten jungen Deutschen als einen seiner letzten Schüler an. Der schöpferische Output konnte sich ebenfalls sehen lassen: Alleine in seinen letzten vier neapolitanischen Jahren (1726-1729) brachte Hasse 17 szenische Arbeiten heraus.
Bei „Enea in Catonia“ handelt es sich um eine sogenannte „Serenata“, die als Genre nur wenige Solisten und so gut wie keine szenische Aktion verlangt. Sie entstand aus Anlass des Besuchs von Fürstin Violante Beatrix, Tochter des Kurfürsten Ferdinand Maria von Bayern und Witwe des toskanischen Erbgroßfürsten Ferdinando de‘ Medici im November 1727 in Neapel.
In 16 Arien, 14 davon in Dur, auf fünf Personen verteilt, werden die Ereignisse des kurzen Aufenthalts von Aeneas (Francesca Ascioti, Alt) und seines Waffenbruders Nisus (Celso Albelo, Tenor) in Epirus stimmungsmäßig verdichtet. König Helenus (Paola Valentina Molinari, Sopran) und Andromache (Raffaella Lupinacci, Mezzosopran) nehmen die Reisenden auf, der König als Seher prophezeit die Gründung Roms. Außerdem gibt es da noch die trojanische Jägerin Ilia (Carmela Remigio, Sopran), für die Nisus schwärmt. Da wird aber nix draus, weil die jungfräuliche Jägerin für solche Sperenzchen nicht zu haben ist. Den Schwierigkeiten und koloraturmäßigen Vertracktheiten der Arien des Titelhelden nach zu schließen, könnte der Interpret der Uraufführung Giovanni Carestini gewesen sein, der Erzfeind Farinellis.
Auf dem Album werden die vier erstklassigen Sängerinnen und der Tenor jedenfalls vom römischen Enea Barock Orchester, das eigens für die vorliegende Aufnahme gegründet wurde, unter der musikalischen Leitung des Barockgeigers und Dirigenten Stefano Montanari begleitet. Neapolitanisch-barocke Prachtentfaltung in Reinkultur bieten insbesondere die „Sinfonia“ zum ersten Teil und vor allem die rasante „Sinfonia Gerone tiranno di Siracusa“ als triumphal virtuose Einleitung des zweiten Teils.
Fazit: Diese Weltersteinspielung repräsentiert eine enorme Bereicherung des Hasse-Katalogs, ist passioniert musiziert und wartet überdies mit vier Solistinnen auf, die nicht den kleinsten Wunsch offen lassen. Hasse hatte wirklich ein goldenen Händchen für Primi Uomini und alle anderen Diven. Tja, erstaunlich, was diesem exquisiten jungen Deutschen unter süditalienischer Sonne so alles eingefallen ist….
Dr. Ingobert Waltenberger