Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD JEAN-JOSEPH CASSANÉA de MONDONVILLE: LE CARNAVAL DU PARNASSE – heroisches Ballett, Weltersteinspielung; Château de Versailles Spectacles

04.04.2024 | cd

CD JEAN-JOSEPH CASSANÉA de MONDONVILLE: LE CARNAVAL DU PARNASSE – heroisches Ballett, Weltersteinspielung; Château de Versailles Spectacles

cha

„In den Tagen des Karnevals soll allein die Tändelei herrschen und einzig das Spielen erlauben, die angenehmen Momente auszufüllen; sie sind nicht für die Verzweiflung und die Elegien der Melpomene gemacht.“ Louis Fuzelier

1749 im selbigen Jahr wie Rameaus „Zoroastre“ an der Académie Royale de Musique aus der Taufe gehoben, war „Le Carnaval du Parnasse“ aufgrund der lichten Textur, der Sinneswonnen, mit der Apollo samt Musen auf dem Berg Parnassus ausgelassen Party und die Liebe feiern, beim Pariser Publikum der große Renner der Karnevalssaison.

Ein wenig Handlung und trunken wirbelnde Divertissements am Ende eines jeden der drei Akte, scheint sich der begüterte, generöse Genießer und Komponist Mondonville vielleicht in Apollo selbst ein Denkmal gesetzt haben. Weltgewandt und gewitzt, volkstümlich und elegant soll er gewesen sein, dieser Mondonville, ein fescher Gesellschaftstiger, der in den Arietten, Arien, Duetten und Chören Lebensfreude und ein gerütteltes Maß an Erotik aufkochen ließ. Kein Wunder, dass er seinen „Carnaval“ der sangesbegabten und schauspielernden Marquise de Pompadour, „Ministerin des guten Geschmacks“ (Benoît Dratwicki) am Hofe Ludwig XV. und dessen langjährige Favoritin, widmete und das spritzige Stück dreimal (1759, 1767, 1774) wiederaufgenommen wurde.

Dirigent Alexis Kossenko stellte sein Orchester Les Ambassadeurs – La Grande Écurie nach den Gegebenheiten der Zeit auf. Die Bläser an Viererpulten, die Bogenbässe in drei Gruppen (Petit Choeur, Jardin und Cour) drapiert, kommen zu den Violinen, Celli und Kontrabass noch Cembalo, Oboen, Flöten, Hörner und Fagott. Ein klanglich exotisches Spezifikum der Tänze im provenzalischen und languedocischem Stil erreicht Kossenko durch das Hinzuziehen von Galoubet (Querpfeife) mit Tamburin (darunter ein besonderes Tambourin du Béarn mit Saiten).

Das Libretto zu „Le Carnaval du Parnasse“, in dem es um Techtelmechtel, Verkleidung, Musik, Tanz und nicht zuletzt um typisch französischen Wortwitz geht, stammt von Jean-Louis Fuzelier.

Der Prolog beginnt mit einem der Rückkehr des Frühlings geschuldeten humorvollen Wettsingen von Clarice (pathetische Melodien) und Florinde (italienische Vokalartisterei). Der Versöhnung dieses Spannungsfelds soll sich die folgende Oper widmen, so Dorante.

Apollo als Schäfer kostümiert veranstaltet Spiele, in denen die Musen ihre vokalen Vorzüge präsentieren. Natürlich darf pikantes Liebesgeplänkel nicht fehlen. Momus (Gott des Spotts) begehrt Thalia (Muse der Komödie), die aber lieber feiern will, und Apollo Licoris, die sich aber kokett ziert. Daher gurrt Apollo Lieder zu Ehren von Jupiter, Bacchus und Diana, um die Spröde zu umgarnen. Dann geht alles rasch, weil in Verkleidung ungehemmter den Verlockungen der Liebe gefolgt wird: Zuerst bekommt Momus Thalia, dann Apollo seine Licoris und alle bejubeln ihre gegenseitiges zueinanderfinden. Terpsichore, umgeben vom Chor, besingt das wahre Glück von charmanter Freiheit mal göttlichen Reizen. Ein Contredans beschließt den dritten Akt.

Dass das Pariser Publikum einmal keine düstere Tragödie, sondern leichten Stoff serviert bekam, quittierte es dankbar. Der „Carnaval“ wurde ein kommerzieller Erfolg (ab der Premiere 35 Aufführungen in nur zwei Monaten), was schon deshalb nicht unwesentlich war, weil die Stadt Paris genau 1749 die Verwaltung der Pariser Oper übernommen hatte und aufs Geld schauen musste.

Für uns heute ist die galant erquickliche Oper nach 250 Jahren Archivschlaf dank der vorliegenden Aufnahme wieder zugänglich. Mondonville als brillanter Violinvirtuose ließ im Orchester wirklich die Engerln auffiedeln sowie die Sängerriege und den Chor mit eingängigen Melodien und lebendiger Vielstimmigkeit (z.B.: ‚Profitez du temps‘) glänzen. Eine raffinierte Instrumentierung und flotte Tänze sorgen für Kurzweil, während die Musik von Alexis Kossenko und den Seinen inkl. des formidablen Choeurs de Chambre de Namur so pointiert, aufschäumend und sprühend interpretiert wird, dass es besser kaum vorstellbar ist.

Die Besetzung agiert auf der Höhe der anspruchsvollsten Erwartungen und prunkt mit den wendigen, jugendlichen Stimmen von Gwendoline Blondeel (Florine, Thalie), Hélène Guilmette (Licoris), Hasnaa Bennaini (Clarice, Euterpe), Mathias Vidal (un Berger, Apollon), David Witczak (Monus) und Adrien Fournaison (Dorante).

Unumschränkt freudvoll, barockmusikalische Unterhaltung auf Spitzenniveau!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

Diese Seite drucken