CD: JAVIER CAMARENA: SOGNO – Tosti Songs • Ángel Rodríguez
Triumph! Triumph! Triumph!
Javier Camarena, einer der führenden «Tenore di grazia» unserer Zeit, wagt sich an das Liedschaffen von Francesco Paolo Tosti, dem wichtigsten italienischen Komponisten der Gattung Lied, im, italienischen besser bezeichnet als «romanze da salotto o da camera». Und das bei übergrossen Ahnen mit übergrossem Erfolg.
Geboren am 9. April 1846 in Ortona (Region Abruzzen) an der Adriaküste, kam Francesco Paolo Tosti zur musikalischen Ausbildung nach Neapel, wo er am Conservatorio di San Pietro a Majella und bei Saverio Mercadante studierte und mit einem Diplom in Violine und Komposition abschloss. Die nächste Station seiner Karriere war Rom, wo er sich als Tenor betätigte und so bis in höchste Kreise, er wurde Gesangslehrer der zukünftigen italienischen Königin Margherita von Savoyen. In dieser Zeit schloss er Freundschaft mit Gabriele D’Annunzio, dem wichtigsten italienischen Dichter jener Zeit. Ende der 1870er-Jahre zog Tosti nach London weiter, wo er dank der Vermittlung des Lord Mayors und seines Landsmanns Gaëtano Braga (Cellist) 1880 Zugang Hof von Königin Victoria bekam. Unter ihr und ihren Nachfolgern war er Gesangslehrer, bis er 1910 nach dem Tod von Edward VII beschloss in die Heimat zurückzukehren. Am 2. Dezember 1916 starb er in Rom und hinterliess ein Oeuvre von über 500 «romanze da salotto».
Wer Canzoni von Tosti einspielt, konkurrenziert mit den ganz Grossen wie Enrico Caruso, Beniamino Gigli, Tito Schipa, Giuseppe Di Stefano, Alfredo Kraus, Jussi Björling, Luciano Pavarotti, José Carreras und Carlo Bergonzi. Javier Camarena und sein Pianist Ángel Rodríguez können sich in diesem Umfeld triumphal behaupten. Bereits in den «Quattro canzoni d’Amaranta» zeigt Camarena seine überragenden stilistischen und interpretatorischen Fähigkeiten. Ein erster Höhepunkt der Aufnahme ist «Malìa»: Hier kommt Camarenas traumhafter Tenore di grazia voll zur Geltung. Eine Stimme voll Eleganz mit wohldosierter Kraft, einer endlosen Farbpalette und grenzenloser Musikalität. Die Gestaltung dieser Canzone erinnert ganz stark an die sechs Zürcher Liederabende und den «trionfo di Zurigo» des «tenore nobile» Carlo Bergonzi. Nicht nur in «L’Ultima Canzone» lebt von den dynamischen Facetten, dem Reichtum an Farben, den sprachliche Facetten, der klare Diktion, der Noblesse des Vortrags: nach jedem Track der Silberscheibe möchte der Zuschauer von Neuem applaudieren und «Bravo!» rufen. Weiter Höhepunkte sind neben weniger bekannten Perlen aus Tostis Schaffen «‘A vucchella», «Marechiare» und «Chitarrata abruzzese».
Ein Triumph der Sangeskunst!
22.01.2024, Jan Krobot/Zürich