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CD JACQUES OFFENBACH: LA PÉRICHOLE, Neuaufnahme zum 200. Geburtstag des Komponisten, Palazetto Bru Zane

Auf 4000 Exemplare limitierte und durchnummerierte Edition

21.06.2019 | cd

CD JACQUES OFFENBACH: LA PÉRICHOLE, Neuaufnahme zum 200. Geburtstag des Komponisten, Palazetto Bru Zane

 

Auf 4000 Exemplare limitierte und durchnummerierte Edition

 

Der Kölner Jacques Offenbach und der Pariser Marc Minkowski, das ist eine veritable musikalische Liebesgeschichte. Drei der besten Aufnahmen des gesamten Offenbach Schallplattenkatalogs verdanken wir dem französischen Dirigenten und seinen Les Musiciens du Louvre: Orphée aux Enfers (1994), La Belle Hélène (2000) und La Grande Duchesse de Gerolstein (2004). Nach dem Motto „Wahre Liebe rostet nicht“ legte Minkowsi ein langes Offenbach-Päuschen ein – unterbrochen nur durch eine Aufnahme des Cellokonzerts in G-Dur.  

 

Jetzt ist gerade vor dem 200. Geburtstag des überaus produktiven deutsch französischen Opern- und Opéra comique-Zampanos Offenbach in der Reihe „Opéra  français“ der Stiftung Bru Zane die erste Aufnahme der Opéra bouffe „La Périchole“ auf Originalklanginstrumenten erschienen. Marc Minkowski hat sich für eine aus seiner Sicht ganz persönlich ,ideale‘ dreiaktige Mischfassung entschieden: Bis zur Nr. 14 vertraut Minkowski auf die komische und dramatische Wirkung der zweiaktigen Urfassung aus dem Jahr 1868. Hierauf fügt er die besten Momente des Gefängnisbildes aus der Partitur 1874 ein, um im dritten Akt der späteren Version die  Nummern 19 bis 21 wiederum auszulassen.

 

Das Ergebnis ist höchst erfreulich schwung- und lustvoll anzuhören. Dazu hat ganz sicher auch dazu beigetragen, dass der Aufnahme die Erarbeitung einer szenischen Produktion in der Opéra National de Bordeaux vorausgegangen ist (Premiere 13. Oktober 2018). Dieser Opéra bouffe war der Erfolg aber ganz und gar nicht in die Wiege gelegt. Das Pariser Publikum wollte die simple Liebesgeschichte um die peruanische Straßensängerin Périchole, ihren vertrottelten Liebhaber Piquillo und den despotischen und dennoch lächerlichen Vizekönig Don Andrés de Ribeira gar nicht so recht goutieren. Und überhaupt eine betrunkene Frau mit Schnackerlstoßen im Stück und ein vollkommen besoffenes Paar vor dem Traualtar, das war zuviel des Offenbach‘schen Guten, obwohl die famose, unzimperliche Hortense Schneider in der Titelpartie im Théâtre des Variétés zu erleben war. 

 

Die  Périchole ist ja irgendwie die patscherte kleine Schwester der mythischen femme fatale und Männerphantasie Carmen, allerdings basierend auf einer historischen Gestalt in der spanischen Kolonie Peru: Micalea Villegas war eine schöne kreolische Schauspielerin aus bürgerlichem Haus, die mit 19 Jahren die Geliebte des Vizekönigs von Peru wurde. Dieser soll während eines kurzen Zerwürfnisses auch den späteren grauslichen Spitznamen „perra colla“, im Spanischen „perri colla“ ausgeprochen, geprägt haben, was gar nicht nett Hündin eines Mestizen bedeutet. 

 

Bei Offenbach (Libretto Henri Meilhac  und Ludovic Halévy) ist die Périchole eine schlaue bezaubernde zierliche Straßensängerin, die unerklärlicherweise in ihren doofen Tenorpartner Piquillo verliebt ist. Als sie einer Einladung des Vizekönigs zum Souper folgt, will sich der kleine Piquillo umbringen. Aber weil Alkohol wirkt wie er halt wirkt, stimmt er einer Heirat mit einer Unbekannten zu, die zufällig die Mätresse des Vizekönigs (Périchole) ist. Als die beiden im Gefängnis landen, stellt sich der eifersüchtig als Gefängniswärter verkleidete Vizekönig in den Weg. Ein alter Gefangener hilft sie mit seinem Fagottspiel zu befreien. Der Vizekönig von so viel unerschütterlicher Liebe einer klugen Frau zu einem Kretin bewegt, lässt sie mit seinem Segen und etwas Gold ziehen. 

 

Die Musik zu dieser banalen Farce besteht aus einer Abfolge an zündenden Nummern mit gesprochenen Dialogen. Es gibt eine Ouvertüre und zwei Zwischenspiele, eine Briefszene wie in „Manon“, charmante Chansons und sentimentale Couplets, Chöre, Duette, ein Trio und Finali, die das Herz höher schlagen lassen. 

 

Die Besetzung kann zwar nicht mit der gesanglich unüberbietbaren Alain Lombard-Aufnahme mithalten (Crespin, Vanzo), wartet aber vor allem in der Titelpartie mit einer aparten und schön timbrierten Mezzostimme auf. Aude Extrémo, inzwischen auch in Frankreich „Carmen vom Dienst“, schafft es, der sympathisch zwiespältigen Figur mit rein stimmlichen Mittel glaubwürdig Kontur zu verschaffen. Im berühmten „Couplet de la griserie“ bleibt sie ähnlich wie Teresa Berganza noch immer im Bild einer die Contenance wahrenden Frau, die weiß, wo Schluss mit lustig ist. Aude Extrémo ist das stimmliche Ass der Aufführung, die sich wie alle Figuren im Stück fusslig redet, weil das Leben es so will. 

 

Piquillo ist dem Charaktertenor Stanislas de Barbeyrac besetzt. Das klingt dann auch entsprechend, d.h. äußerst prägnant in der Diktion, aber auch bisweilen hart im Klang. Alexandre Duhamel als Don Andrés de Tibeira gibt einen in seiner Autorität arg sabbernden Vizekönig. In kleineren Partien überzeugen Éric Huchet, Marc Mauillon, Enguerrand de Hys, Francois Pardailhé, Olivia Doray, Julie Pasturaud, Mélodie Ruvio, Adriana Bignagni und Jean Sclavis.

 

Marc Minkowsi ist der geborene Offenbach-Dirigent, der in den atomaren Kern der Musik eindringt, ihre Ironie, das Tempo, aber auch den Schmalz und das Sentiment mit prickelnd mit Cilli gewürzt freilegt. Seine  Mitstreiter, die „Musiciens du Louvre“ und der Chor der Opéra National de Bordeaux folgen ihm animiert und mit Präzision.

 

Anmerkung: Das Centre de Musique romantique française im venezianischen Palazetto Bru Zane (Fondation Bru) kümmert sich um die Wieder-Entdeckung des französischen musikalischen Erbes von 1780-bis1920. Da treffen sich Wissenschaftler und Künstler, um Partituren zu editieren, Konzerte und Opernaufführungen international zu organisieren, das Ganze überzuckert mit pädagogischen Projekten und der Veröffentlichung von Schallplattenaufnahmen. Die Edition hält derzeit mit „La Périchole“ bei Nummer 21.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

 

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