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CD „INSOMNIA“ – KATHARINA KONRADI singt Lieder von FRANZ SCHUBERT; BR-Klassik

27.05.2023 | cd

CD „INSOMNIA“ – KATHARINA KONRADI singt Lieder von FRANZ SCHUBERT; BR-Klassik

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Sieben der 18 Lieder wurden von Ammiel Bushakevitz für Gitarrenbegleitung arrangiert

Helene Fischers „Schlaflos durch die Nacht“ oder der stilvoll „hedonistische“ Berliner Nachtklub gleichen Namens werden wohl nicht als Paten des Titels der CD „Insomnia“ gedient haben. Vielmehr empfindet die lyrische Sopranistin Katharina Konradi im Interview die Nacht als Gamechanger der Apperzeption: „In der Nacht intensivieren sich die Gefühle und trüben die Wahrnehmung. Somit ist die Nacht eine perfekte Zeit, um die tiefsten Abgründe und höchsten Gefühle zu durchleuchten, wie es das Lied „Der Zwerg“ auf die Spitze treibt, um wie im „Geistertanz“ in die Welt der Gespenster einzudringen oder wie in „Des Fischer Liebesglück“ eine traumwandlerische Reise mit der Geliebten im Boot anzugehen.“

Liebe, Sehnsucht, Begehren, Tod unter der Lupe nächtlichen Empfindens. Wollen und Träume mischen sich zu jenem Amalgam, das dem rational und leistungsbezogen durchmessenen Tag mit Lust ein Schnippchen schlägt. Dichter wussten von jeher, aus der Schlaflosigkeit, der somnambulen Benommenheit der Sinne Früchte ihrer poetischen Wahrheit zu pflücken. Ob Novalis („Hymnen an die Nacht“), Lord Byron, John Keats, von Eichendorff, Rainer Maria Rilke, Paul Valéry, alle wussten der blaumondwolkigen Dunkelheit ihre schönsten Verse abzuringen.

Ammiel Bushakevitz, israelisch-südafrikanischer Begleiter der Solistin des Albums auf dem Klavier und der Gitarre, schätzt bei Schubert, dass die atmosphärischen Wechsel in dessen Liedern von Experimenten mit Modulationen der Tonalität und harmonischen Kühnheiten rühren.

Die Gitarre passe gut zu Schuberts musikalischer Poesie. Einerseits, weil die Gitarre ein Bestandteil des biedermeierlichen Musiklebens war (zwischen 1821 und 1828 wurden vom Verleger Anton Diabelli 26 Schubert-Lieder mit Gitarrenbegleitung veröffentlicht), andererseits etliche Amateurmusiker aus Schuberts engem Freundeskreis das Instrument beherrschten. Mayrhofer, Vogl, Hüttenbrenner oder Grillparzer mögen hier beispielhaft genannt sein. Zudem bauen manche Begleitungen, wie etwa diejenige zu „Die Nacht“, ganz auf die Logik der Gitarre.

Vor der Studioaufnahme im Bayerischen Rundfunk haben Konradi und Bushakevitz das Programm mehrfach live erprobt. Und genau diese aus der Konzerterfahrung gewonnene Selbstverständlichkeit in der textlichen-lyrischen Gestaltung als auch der behutsamen instrumentalen Begleitung ist es, die überzeugt. Den Liedern bleibt ihr verträumt unschuldiger Kern, aus dem heraus suchende Blicke und Ahnungen nicht zuletzt in dunklen Ecken der Seele forschen und um den herum namenlose Sehnsüchte streunen. Katharina Konradi, die mit einer unglaublichen musikalischen Einfühlung und einer beispielhaften Diktion zu den besten Liedsängerinnen der Gegenwart zählt, kann mit ihrem glockenreinen Sopran das Wesen der kleinen Schubert-Dramolette, wie „An die untergehende Sonne“, „An mein Herz“, „Lied der Anna Lyle“, „Der zürnenden Diana“, „Gesang der Norna“ oder „Nacht und Träume“ atmosphärisch packend auf den Punkt bringen.

 Folgen wir ihr schlaftrunken und verzaubert bis zu den Sternen, erleben wir diffuse Gefühle romantischer Ambivalenz, mitternächtliches Geistertreiben oder lauschen einfach verzückt der kirgisischen Nachtigall, wenn sie Schuberts Hymne an diesen kunstvoll trillernden Vogel anstimmt.

Die abwechselnde Kombination der Stimme mit dem Klavier und der Gitarre erweist sich als ein geschickter Schachzug, um diese Nachtmusiken in ein noch irisierenderes Licht zu rücken bzw. ihnen dann und wann federleichte koboldische Nuancen abzuluchsen. Liedkunst at her best!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

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