CD INGEBORG VON BRONSART: JERY UND BÄTELY – einaktige Oper nach einem Libretto von J.W. von Goethe; NAXOS
Das deutsche Singspiel ‚Jery und Bätely‘ besteht neben der langen Ouvertüre aus 15 musikalischen Nummern (Lieder, Duette, Terzette und ein Quartett), die durch gesprochene Dialoge miteinander verbunden sind. Ingeborg, die Schöne, hat es geschrieben. Die gebürtige St. Petersburgerin schwedischer Abstammung ging mit 18 Jahren nach Weimar, um dort bei Franz Liszt Klavier zu studieren. 1861 heiratete sie den Pianisten und Komponisten Hans Bronsart von Schellendorf. Das wäre eigentlich nicht der Erwähnung wert, wenn dieser ihr Ehemann nicht Intendant des Hoftheaters von Hannover geworden wäre. Da es Gattinnen preußischer Beamter strikt untersagt war, sich in der Öffentlichkeit künstlerisch zu produzieren, fand ihre vielversprechende Pianistinnenlaufbahn ein abruptes Ende. So widmete sich unsere Heldin von da an ganz dem Komponieren. Sie hinterließ 50 Lieder, Kammermusik für Streicher und Klavier und Opern. Als Frau war Ingeborg von Bronsart eine Pionierin in der deutschsprachigen Operngeschichte. Neben dem auf dem neuen Album zu hörenden Einakter „Jery und Bätely“ schuf sie noch die große Oper „König Hiarne“, 1891 in Berlin uraufgeführt, und den Einakter „Die Sühne„, nach einem Schauspiel von Theodor Körner.
Die 1780 von Goethe aus Anlass der Eröffnung des neuen Weimarer Theaters verfasste bukolische Farce „Jery und Bätely“ wurde insgesamt 27 mal vertont. Wir wissen, dass Ingeborg von Bronsart die Entscheidung, Opern zu schreiben und diese auch aufführen zu wollen, Ärger einbrachte. Ihr offensichtlich künstlerisch eifersüchtiger Ehemann drohte gar mit Scheidung. Umso dankbarer sind wir für die Rehabilitierung der köstlichen musikalischen Komödie durch das Orchester und die Solisten des Opernhauses Malmö unter der musikalischen Leitung von Dario Salvi.
Worum geht es in dieser ziemlich surrealen Alpenklamotte? In den Schweizer Bergen lebt die Milchmagd Bätely mit ihrem Vater auf der Alm. Die streitbare und selbstbewusste junge Frau kocht, putzt und melkt lieber als den Avancen des feschen, starken, reichen und vielbegehrten Käsers Jery nachzugeben. Auch die tollpatschigen Verkupplungsversuche von Jerys Freund Thomas bringen nichts außer Verdruss, eine von dessen Herde zertrampelte Wiese und ein blaues Auge für Jery. Für den von Thomas so geschundenen Jery taut das harte Herz der Bätely auf, der Hochzeit steht nichts mehr im Wege.
Die Musik aus den Jahren 1871/72 folgt volkstümlichen Mustern, ist die Natur imitierend lautmalerisch instrumentiert und wartet mit einem dicht durchkomponierten Schluss auf.
Die Solisten entsprechen leider kaum den Anforderungen. Dem viel zu schweren, heldisch knödelnden niederländischen Tenor Harrie van der Plas (Jery) und der amerikanischen Koloratursopranistin mit spitzen Höhen Caroline Bruker (Bätely) fehlen die Leichtigkeit und der kecke Humor für die in ihrer melodiösen Kunstfertigkeit so wunderbaren Partitur. Thomas ist mit dem 25-jährigen Hamburger Bariton Laurence Kaladjian und der Papa der Braut mit Sönke Tams Freier besser besetzt.
Zum Kennenlernen.
Dr. Ingobert Waltenberger