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CD IGOR KULJERIC: GLAGOLITISCHES REQUIEM – Münchner Rundfunkorchester, Chor des Bayerischen Rundfunks; BR Klassik

02.06.2020 | cd

CD IGOR KULJERIC: GLAGOLITISCHES REQUIEM – Münchner Rundfunkorchester, Chor des Bayerischen Rundfunks; BR Klassik

Veröffentlichung: Juli 2020

Der seit der Spielzeit 2017/2018 amtierende kroatische Chefdirigent des Münchner RundfunkorchestersIvan Repušić, erweitert das Repertoire des süddeutschen Luxusklangkörpers behutsam auch mit Werken zeitgenössischen Musikschaffens. Das nun auf CD präsentierte, 1996 vollendete Kroatische glagolitische Requiem verbindet alte kirchliche Traditionen mit „dem wundersamen Echo“ typisch slawischer Harmonik und kroatischer Melodien, das Ganze eingebettet in eine nationale Schule des Landes. Alexander Heinzel bringt es entstehungsgeschichtlich auf den Punkt: „Das Kroatische glagolitische Requiem ist nicht Kuljerić‘ erstes Werk, in dem er sich mit dieser Tradition (Anm.: von weitergegebenen Melodien und Rezitationsmodellen, die vielfach auch Einflüsse aus der Volksmusik aufweisen) auseinandersetzt, wohl aber sein größtes. Es ist gleichsam ein symbolhaft aufgeladenes musikalisches Bekenntnis zur Kulturnation, geschrieben zu einer Zeit, in der Kroatien mit dem Abkommen von Dayton 1995 den Schlussstrich unter einen blutigen Unabhängigkeitskrieg setzen konnte. Ein Requiem in einer Zeit, in der Trauerarbeit in Kroatiens Bevölkerung zum Alltag gehört haben dürfte.“

Igor Kuljerić hat sein beeindruckend klangmächtiges „Hrvatski glagoljaski rekvijem“ mit großem Orchester (Glockenspiel, Vibrafon, Harfe), wuchtigen Chören und dramatisch opernhaften Soli in der im neunten Jahrhundert entstandenen glagolitischen Schrift notiert, wie dies 70 Jahre zuvor schon Leoš Janáček in seiner berühmten „Glagolitischen Messe“ tat. Das damals liturgisch opportune glagolitische Alphabet wurde vom byzantinischen Mönch Konstantin für die christliche Mission u.a. am Balkan und in Mähren geschaffen.

Die sechsteilige Messe weist im Ablauf eine Besonderheit auf: Als zweiter Satz ist der Text „Befreie, o Herr, die Seelen“ zu hören, ein Gebet der Buße und Trauer, das in der Totemmesse und in den Messen der Fastenzeit anstelle des Alleluja gesungen wird. Zur zweiten, die Interpretation betreffende Eigenheit sei nochmals A. Heinzel zitiert: „Das Requiem imaginiert die Trauergemeinde selbst, wie sie gemeinsam die Gebete spricht und ihre Bedeutung zu begreifen sucht. Eine Gemeinde, die mit klagendem Gestus Abschied nimmt von einem geliebten Menschen, die um Gnade fleht, die verwirrt ist durch widerstreitende Gefühle zwischen Tod und Erlösung.“

Die Live Aufnahme von Februar 2020 aus der Herz-Jesu Kirche München, als Kooperation mit Zagreb wohl auch dem aktuellen kroatischen EU-Ratsvorsitz geschuldet, zeugt in ihrer Intensität vom Engagement des Dirigenten (der als 14-jähriger in Zadar bei der Uraufführung dabei war) und aller Beteiligten. Besonders der unglaublich präzise und die spirituelle Botschaft tragende Chor des Bayerischen Rundfunks und die vier Solisten (Kristina Kolar Sopran, Annika Schlicht Mezzo, Eric Laporte Tenor und Ljubomir Puškarić Bass) imponieren in ihrem dicht gestrickten Geflecht von Rede und Gegenrede.

Im Anschluss an das Requiem ist die „Hymne an die Freiheit“ von Jakov Gotovac zu hören.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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