CD HUGO WOLF: ITALIENISCHES LIEDERBUCH mit Diana Damrau, Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch am Klavier; ERATO
Veröffentlichung: 11. Jänner 2019
„Ich esse nun mein Brot nicht trocken mehr, ein Dorn ist mir im Fuße stecken blieben. Umsonst nach rechts und links blick‘ ich umher, und keinen find‘ ich, der mich möchte lieben.“
Dieses im Rahmen einer 12 Stationen umfassenden Tournee am 18. Februar 2018 im Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen aufgenommene Album eint zwei eingefleischte Opernsänger, die auch im Liedgesang Erfahrung haben.
In den 46 Liedern, „Kindern des Südens, die trotz allem ihre deutsche Herkunft nicht verleugnen können“, hat Wolf einen klingenden Liebeskosmos auf anonyme italienische Gedichte und Volksliedtexte (von Paul Heyse ins Deutsche übertragen) geschaffen. „Wie ist das so mit Mann und Frau?“ In kurzen, fein gepinselten Genreszenen werden Facetten einer alle Stimmungslagen von destruktiv bis euphorisch auskostenden Liebe erzählt. Neckische Geplänkel stehen neben liebestoller Kinderei, trennungsangstbesessene Melancholie neben von Selbstzweifeln kündender Einsamkeit. Der Hörer wird Zeuge kleinerer und größerer Beziehungskisten samt den üblichen Vorwürfen, Eifersüchteleien, Abkehr, Wieder-Schwärmen, Sehnen, des ewigen Kreislaufs von Kränkung und Verzeihen.
Dynamisch wollen die meisten Lieder in minimal abgestuften Pianowerten gesungen werden. Dass das unsere sympathischen Protagonisten mit ihren dramatischen Stimmen nicht hinbekommen, war zu erwarten. Dafür entschädigen Jonas Kaufmann und Diana Damrau mit einer erzählerisch raffiniert eingerichteten Minioper. In „Geselle woll‘n wir uns in Kutten hüllen“ etwa zeigt Jonas Kaufmann, wie exemplarisch er Texte auszudeuten versteht, den Klang seiner Stimme beeindruckend dem Charakter der Musik anpassen kann. Die extrovertiertere Damrau stößt mit Liedern wie „Verschling‘ der Abgrund meines Liebsten Hütte“ gar in jugendlich dramatische Gefilde vor. Diese ,Violetta vom Dienst‘ prunkt mit schönen Piani, aber auch leuchtend aufblühenden Phrasen. Auch vermag die Sopranistin die Texte klug und emotional intensivst auszudeuten. Koketterie und Empörung stehen ihr besonders gut zu Stimme. Damrau hat aber aber auch ein ideales Kehlchen für absurd-groteske Titel wie „Mein Liebster ist so klein, dass ohne Bücken er mir das Zimmer fegt mit seinen Locken. Als er ins Gärtlein ging, Jasmin zu pflücken, ist er vor einer Schnecke sehr erschrocken.“
Jonas Kaufmann darf als romantisch schelmischer (Latin) Lover mit einer umflort baritonalen Note von „Dass doch gemalt all‘ deine Reize wären“ singen und larmoyant mit seinem Tod schäkern. „Und willst du deinen Liebsten sterben sehen“ und „Sterb ich, so hüllt in Blumen meine Glieder, ich wünsche nicht, dass ihr ein Grab mir grabt“ sind die kunstvollen Höhepunkte des gesamten Zyklus. Bei Kaufmann ist generell viel an unter die Haut gehender Zärtlichkeit und ebenso atemlos aufgestauten Gefühlen zu spüren. Im mezza voce entkommt Kaufmann nicht einigen gaumig heiseren und glanzlosen Tönen. Auf der anderen Seite ist es Kaufmann als Meister von Bühneneffekten und expressiver Geste gegeben, die Stimme in Wagner‘sche Hitzegrade zu tauchen und bei Phrasen wie „Hungersnot und Teurung“ oder „Willst du nicht Liebe, nimm Verachtung hin“ mit beeindruckendem Volumen aufzuwarten.
Den Kontrapunkt zu so immens opernseligem Liedgesang bildet Helmut Deutsch am Klavier. Er hält die lyrischen Flügel der Musik am dezenteren Flattern und sorgt für eine abendrote fin-de siècle Stimmung. Der Einsatz von medial gehypten Gesang-Stars für Hugo Wolfs Liedkunst ist jedenfalls eine gute Sache. Damit kann auch ein weniger lied-affines Publikum erreicht und hoffentlich von der Schönheit und subtil-ironischen Kraft dieser Musik überzeugt werden. Der CD dürfen in diesem Sinne hohe Verkaufszahlen gewünscht werden.
Dr. Ingobert Waltenberger