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CD HAYDN SYMPHONIES Vol. 28-31 – JOHANNES KLUMPP dirigiert die HEIDELBERGER SINFONIKER; hänssler Classic

07.02.2024 | cd

CD HAYDN SYMPHONIES Vol. 28-31 – JOHANNES KLUMPP dirigiert die HEIDELBERGER SINFONIKER; hänssler Classic

„Der Heidelberger Haydn ist ein Ausbund an Dynamik, Frische, Wildheit, Humor und Überraschungsreichtum. Ich freue mich, dass die Reise weitergeht, der Zyklus vollendet wird.“ Johannes Klumpp

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Ein Haydn-Riesenprojekt, wie es nicht so viele gibt in der Geschichte der Schallplatte, geht nach einigem Hin und Her in die Endrunden, zumindest, was die Veröffentlichungen betrifft. Denn seit Mai 2023 sollen alle Haydn-Sinfonien im „Kasten“ sein, publiziert werden soll die noch übrigen nach und nach. Begonnen hat das ehrgeizige Vorhaben Thomas Fey, der unterstützt vom Verlagshaus hänssler Classic einige frühe und vor allem späte Haydn-Sinfonien aufgenommen hat. Eine CD (Sinfonien Nr. 9, 37, 38, 63) wurde vom Konzertmeister des Orchesters Benjamin Spillner geleitet.

 Ab der Saison 2020/2021 oblag es dem neu amtierenden künstlerischen Leiter des Heidelberger Orchesters Johannes Klumpp, den Zyklus abzuschließen und zum Ziel zu führen. Nicht allen Dirigenten ist das gelungen, wie die Beispiele Christopher Hogwood/The Academy of Ancient Music (L’Oiseau-Lyre) oder Roy Goodman/The Hanover Band (Hyperion) zeigen.

In den 80-er und 90-er Jahren hat Adam Fischer alle Haydn Sinfonien mit dem Austro Hungarian Haydn Orchestra in Eisenstadt aufgenommen (ein Zyklus der späten Sinfonien mit dem Danish Chamber Orchestra und Adam Fischer ist gerade bei Naxos im Entstehen). Zuvor war es Haydn-Pionier Antal Dorati, der außer den wichtigsten Haydn-Opern mit der Philharmonia Hungarica für Decca rechtzeitig zum 250. Geburtstag des Komponisten auch alle Sinfonien dem Publikum im trauten Heim zugänglich gemacht hat.

Die jüngsten großen Haydn-Projekte stammen von Giovanni Antonini mit dem Kammerorchester Basel und Il Giardino Armonico für Alpha (2023 bei Vol. 14 angelangt) und eben den Heidelberger Sinfonikern, die historisch informiert voller Leidenschaft, Witz, Spielfreude und auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand an die Sache gehen.

Die nun auf 4 CDs (Vol. 28 bis 31) in einer Box veröffentlichten Sinfonien Nr. 16, 72, 12, 13, 21, 22, 23, 24, 28, 29, 30, deest und 55, 68, 67, komponiert im Zeitraum 1763 bis 1774, bieten Hörvergnügen vom Feinsten. Aufgenommen in Wiesloch, Bad Wildbad, und Heidelberg-Pfaffengrund mit umfangreichen Informationen des Dirigenten zu den musikalischen Eigenheiten der Stücke sind diese so innovativen wie verspielt experimentellen Sinfonien nun wieder in einer unverwechselbar eigenen Interpretation zu genießen.

Haydn kann so viel und noch mehr sein: Sturm und Drang, virtuos-euphorisch sprudeln, ländlich-erdig, kapriziös, galant und filigran, lichtvoll und dunkel sein, kontrapunktisch raffiniert zwinkern, kantabel singen und kokett wirbeln. Die Stimmungen und atmosphärischen Wechsel sind ein Abbild seelischer Disponiertheit in launischer Unberechenbarkeit und steter Kurzweil, dissonant frech, balsamisch anschmiegsam bis reißerisch springginkerlhaft.

Johannes Klumpp glaubt man seine Begeisterung und sein Engagement nicht nur aufs Wort, er vermag überdies das Orchester zu technisch-klanglichen Höchstleistungen und spontan empfundener Quirligkeit bei formal kluger Disposition und Balance zu animieren. Wie andere große Haydn-Interpreten, vor allem der derzeit zu filmischen Ehren gekommene Leonard Bernstein und Nikolaus Harnoncourt, ist Klumpp daran gelegen, „Musik zu den Menschen bringen“. Er moderiert Konzerte, kann ebenso mitreißend und klug über Musik parlieren und schreiben. Das Booklet genau zu lesen empfiehlt und lohnt sich daher. 

Exzessive und marktschreierische Rekordversuche in Sachen Tempi und Dynamik gibt es glücklicherweise nicht zu vermelden. Manche Interpreten scheinen sinfonische Musik der Barockzeit und Klassik ja durchaus mit Formel I-Rennen zu verwechseln.

Bei Klumpp und seinen „Heidelbergern“ stehen das Musikantische, eine natürlich wirkende Rhetorik, das verschmitzt Erzählerische und das tief Humanistische der Musik im Vordergrund. Dazu kommen ein untrügliches Gespür für Klangfarben, eine beredte Bogenführung, Temperament und eine expressive, auf organische Kontrastwirkungen erpichte Artikulation. Dabei kommt er angenehmerweise ohne jegliche Manierismen oder Schwatzhaftigkeit aus.

Am Ende lebt jede bedeutende Interpretation von der unbedingten Immersion in den vielgestaltigen Haydnschen Kosmos, vom persönlichen Charisma der Beteiligten und einer unverwechselbar atmosphärischen Klangspachtelei. All das ist in dieser Edition üppig vorhanden. Ein faszinierender Haydn-Zyklus auf der Höhe der Zeit. Wenn alles publiziert ist, steht uns die erste komplette Gesamtaufnahme in historisch informierter Aufführungspraxis ins Haus, wenn ich nicht irre. Willkommen!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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