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CD HANS PFITZNER: Lieder, Vol. 2 – COLIN BALZER Tenor, KLAUS SIMON Klavier, NAXOS

19.03.2019 | cd

CD HANS PFITZNER: Lieder, Vol. 2 – COLIN BALZER Tenor, KLAUS SIMON Klavier, NAXOS

 

Richard Strauss, Gustav Mahler, Alban Berg und Hugo Wolf haben das deutsche Kunstlied noch einmal in schillernden Pracht einer letzten Blüte zugeführt. Ihre Schöpfungen gehören zum teils melodienreich expressiven, teils harmonisch und chromatisch kühnen Erbe spätromantischer Ausdruckskunst. Auch Hans Pfitzners lyrischer Genius‘ ist in einer Reihe mit seinen bekannteren Kollegen zu nennen. Das Haus Naxos ist nun in der verdienstvollen Gesamtaufnahme aller Pfitzner-Lieder bei Teil 2 der Edition (Vol. 1 wurde von der Sopranistin Britta Stallmeister bestritten) angekommen. 

 

Der kanadische Tenor Colin Balzer interpretiert mit Klaus Simon am Flügel zunächst frühe Bespiele aus Pfitzners beeindruckendem Liedschaffen. Die Texte der 1884 bis 1916 entstandenen, in Zyklen zusammengefassten Lieder Opp. 2, 6, 7, 11, 21, 24, 26 stammen von bekannten Dichtern wie dem von ihm bevorzugten Eichendorf, weiters von Heyse, Heine, Hebbel oder Goethe. Pfitzner vertonte aber auch Lyrik von heute vergessenen Namen wie Hermann Lingg, August Schnetzler und Robert Reinick. Sogar engen Freunden wie Paul Nikolaus Cossmann, James Grun oder Mary Graf-Bartholomew widerfuhr die Ehre, mit ihren Reimen Pfitzner zu großartigen Liedern inspiriert haben zu können.

 

In den in ihrer Tonsprache an die großen Frühromantiker anknüpfenden Liedern wird, wie könnte es anders sein, der Liebe und als Metapher für menschliche Gefühlswelten der Natur gehuldigt. Pfitzner glücken schon in seinen frühersten Versuchen beachtliche Würfe wie „In der Früh, wenn die Sonne kommen will“ oder „Ist der Himmel darum im Lenz so blau“. Zu volksliedhafter Einfachheit gesellt sich ein harmonisch reicher Klavierpart. Das Fluidum der melodischen Eingebung, die maßgeschneidert zu den Worten erspürten Harmonien, eine raffinierte, oftmals lautmalerische Klavierbegleitung machen die Erkundungsreise durch Pfitzners Liedkosmos zu einem gar abwechslungsreichen Abenteuer. Dramatisch geht es in „Wie Frühlingsahnung weht es durch die Lande“ oder „Studentenfahrt“ zu, durchaus kühn und mit reif entwickelter, individueller Tonsprache gefallen die Entwürfe zu „Herbstbild“,  „Die Nachtigallen“ bzw. Petrarcas „Sonett“ (unüberhörbar eine klangliche Studie zur Oper „Palestrina“) aus den Jahren  1907 bzw. 1909. Die späteren Lieder verlangen dem Solisten viel an ekstatischer Verzückung, emotionalen Ausbrüchen und Spitzentönen ab. 

 

Colin Balzer ist ein typischer Vertreter der hohen angelsächsischen Vokalkultur. Mit gut in der „Maske“ sitzender Stimme gelingen ihm eindrückliche, ja überwiegend mustergültige Interpretationen. Intonation, ein wunderbares Legato, bis in die kleinste Silbe hinein fein abschattierte Nuancen, eine kluge Phrasierung und eine farbig reich abgestimmte Textausdeutung sind die Vorzüge dieses erstklassigen Sängers. Jedes Wort ist zu verstehen. Das eher neutrale, hell silbrige Timbre und die instrumental geführte Stimme kommen am besten bei den lyrischen Liedern bis 1900 zur Geltung. Der Tonumfang Balzers ist nach oben und unten hin jedoch begrenzt. In den hochdramatischen Passagen der expressionistisch ausladenden Lieder „Wie Frühlingsahnung weht es durch die Lande“ „Herbstlied“ oder „Sonett“ stößt  Balzers Tenor in den Akuti bzw. hoch gelegenen Phrasen an seine natürlichen Grenzen. 

 

Ohne Vorbehalt begeistert die in jeder Hinsicht poetisch sinnliche Begleitung des auf die Spätromantik spezialisierten deutschen Pianisten Klaus Simon. Für Naxos erarbeitet der  vorzügliche Musiker auch eine Edition sämtlicher Lieder Erich Wolfgang Korngolds. 

 

Die CD bietet eine gute Gelegenheit, die stilistische Entwicklung des fünfzehnjährigen Schülers und Frühzünders Hans bis hin zu den komplex ausgefeilten Kompositionen des 47 Jahre alten Meisters  in einer guten Stunde nachvollziehen zu können. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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