CD „HAFFNER-AKADEMIE“: ANNA PROHASKA mit Arien von W. A. MOZART; harmonia mundi
RICCARDO MINASI leitet das ENSEMBLE RESONANZ
Riccardo Minasi gehört zu jenen historisch informierten „State of the Art“- Musikern, die, was grundlegende Fragen der Artikulation und Klangrede anlangt, begrifflich und interpretatorisch sicherlich von den Pionieren der Vergangenheit gelernt hat. In der Vorbereitung zieht dieser italienische Geiger und Dirigent jedoch eigene Forschungen im Hinblick auf zeitgenössische Quellen, musiktheoretische Traktate und Instrumente der unkritischen Übernahme von Erkenntnissen der Kollegen vor. Im Gegensatz zu Nikolaus Harnoncourt, Reinhard Goebel oder Trevor Pinnock wirken seine Aufnahmen zwar genauso so kontrastreich, in der Phrasierung oftmals ungewohnt knapp und gegen den Strich gebürstet, aber vielleicht weniger apodiktisch. Bei aller jegliche emotionale Tiefe auslotenden Expressivität tritt Minasi ureigen-musikantischer und klanggestalterisch flexibler auf. Davon profitieren vor allem seine Aufnahmen von Mozart-Symphonien oder Cellokonzerten von C.P.E. Bach oder Antonín Kraft, die derart spontan individuell empfunden, agogisch frei und völlig eigenständig erklingen.
In dieser Logik bildet das neue Album mit dem Titel „Haffner-Akademie“ keine Ausnahme. Rund um die Haffner-Symphonie in D-Dur, KV 385 aus dem Jahr 1782 hören wir Opernarien (aus „Le nozze di Figaro“, „Così fan tutte“, „Die Entführung aus dem Serail“, „Idomeneo, re di Creta“, „La Clemenza di Tito“) und die Konzertarie „Ch‘io mi scordi di te?“ KV 505. Mit dieser Auswahl wollen Minasi und Prohaska ein „lebhaftes Porträt der wunderbaren Komplexität“ in der Musik Mozarts von den hochdramatischen Aspekten der barocken Opera Seria über „Sturm und Drang“ bis hin zu den Vorzeichen der Romantischen Oper malen. Alle präsentieren Stücke stammen aus dem letzten Lebensjahrzehnt Mozarts.
Die stilistische Breite, die gemeinsam auf die Spitze getriebene Ausdrucksintensität und leuchtende Klangfarbenfülle eröffnen tatsächlich neue Aspekte und Perspektiven auf scheint‘s Altbekanntes.
Besonders möchte ich Anna Prohaskas Vortragskunst hervorheben, die mit ihrem exquisiten Sopran nuancenreich und mit tragfähigen Piani die Arie der Susanna ‚Deh vieni, non tardar‘, die Konstanze-Arie „Traurigkeit ward mir zum Lose‘ oder die Arie der Ilia aus dem zweiten Akt des „Idomeneo“ ‚Se il padre perdei‘, veredelt. Ebenso vermag Prohaska mit Aplomb und dramatischem Biss der furiosen Arie der Elettra aus dem dritten Akt „Idomeneo“ ‚D’Oreste, d’Aiace‘ Kontur und zwingende Intensität zu verleihen.
Im Grunde handelt es sich bei allen Gesangsnummern um innere Monologe, um gefühlsaufwallende, vielschichtige Momentaufnahmen der Befindlichkeit all dieser Frauenfiguren. Prohaska lädt ihren Gesang je nach Arie und Situation mit seelischer Noblesse, kämpferischer Wut oder erkenntnissuchender Reflexion auf. Vokale Wahrhaftigkeit geht vor bloßem Schöngesang.
Ein exzeptionelles Album, an dem, die Konzertarie ‚Non temer, amato bene‘ begleitend, auch der Pianist Herbert Schuch erfolgreich beteiligt ist.
Dr. Ingobert Waltenberger