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CD: Gustav Mahler Sinfonie Nr. 5 cis-moll Tonhalle-Orchester Zürich Paavo Järvi, musikalische Leitung Alpha-Classics, ALPHA1127

13.03.2025 | cd

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Mahler in gebremster Wucht: Paavo Järvi und das Tonhalle-Orchester Zürich starten den Zyklus

Mit der Aufnahme von Gustav Mahlers 5. Sinfonie eröffnet Paavo Järvi seinen geplanten Mahler-Zyklus mit dem Tonhalle-Orchester Zürich für Alpha Classics. Järvi, ein erfahrener Mahler-Interpret, setzt auf eine durchdachte, kraftvolle Lesart dieses monumentalen Werks. Das Orchester begegnet Mahlers Musik mit Leidenschaft und Präzision – doch reicht das für eine wirklich große Interpretation?

Der erste Satz, der mit seinem „Trauermarsch“ an ein militärisches Begräbnis erinnert, entfaltet unter Järvi eine zeremonielle Strenge. Der Marschrhythmus etabliert sofort die tragische Grundstimmung, mit markanten Trompetensignalen und einem tiefen Streicherfundament, das sich mit dem Schlagzeug zu einem unaufhaltsamen Puls verdichtet. Järvis Fähigkeit, Musik als dramatische Erzählung zu gestalten, wird hier deutlich: ein Wechselspiel aus erhabener Ruhe und unterschwelliger Bedrohung.

Der zweite Satz entfacht einen Sturm – doch ein Sturm mit angezogener Handbremse. Die Streicher und Holzbläser treiben das Tempo voran, während Blechbläser und Schlagwerk inneren Aufruhr evozieren. Das Orchester spielt mit Hingabe, doch die von Mahler geforderte „größte Vehemenz“ bleibt eher Behauptung als gelebte Realität. Kleine, aber wichtige Details – etwa das fast unhörbare, als Fortissimo (!) notierte Tamtam – geraten wie in vielen modernen Einspielungen ins Hintertreffen.

Das Scherzo bringt einen Stimmungswechsel. Der Satz tanzt in kräftigen Bögen, mit sprühender Holzbläser-Interaktion und lebendig phrasierten Streicherlinien. Järvi hält das Gleichgewicht zwischen Kraft und Beweglichkeit, doch insgesamt bleibt das Klangbild ein wenig zu diszipliniert – es fehlt an jener ungezähmten, fast übermütigen Freiheit, die Mahler hier andeutet.

Das Adagietto, oft als emotionales Zentrum der Sinfonie gesehen, bleibt bei Järvi klar und fließend. Statt sich in Sentimentalität zu verlieren, zeichnet das Orchester die Linien mit bewundernswerter Transparenz. Die Streicher singen mit sanfter Intensität und Harfe setzen feine Akzente. Doch auch hier: Schönheit ja, Andersartiggkeit nein. Järvi bewegt sich mit rund zehn Minuten Spielzeit in gemäßigten Bahnen – das ist geschmackvoll, aber nicht bezwingend.

Das Finale entfaltet schließlich seine jubelnde Energie. Die Musiker lassen es lebendig aufleuchten, mit tänzerischer Leichtigkeit der Streicher und kraftvoll zupackenden Blechbläsern. Das Tonhalle-Orchester Zürich spielt mit Präzision und Vitalität, aber das triumphale Glühen, das diese Musik zur Ekstase steigern könnte, bleibt gedämpft. Es ist ein würdiger Abschluss, doch kein rauschhafter Befreiungsschlag.

Die Klangqualität der Aufnahme ist gut. Alpha Classics fängt die orchestrale Fülle Mahlers detailreich ein, von den wuchtigen Pauken bis zu den filigranen Harfenklängen. Die räumliche Staffelung überzeugt – einzig das Schlagwerk könnte präsenter sein, insbesondere die Becken.

Paavo Järvi und das Tonhalle-Orchester Zürich liefern eine durchweg sorgfältige, klanglich beeindruckende Einspielung. Doch sie ist mehr „gut“ als „groß“. Gustav Mahlers Musik bekommt diese allzu polierte Ausgewogenheit nicht wirklich gut. Wie so oft bei Mahler in unserer Zeit bleibt das letzte Risiko aus. Die totale Hingabe, das Ausloten der Extreme – all das, was diese Musik so existenziell macht – fehlt. Järvis Dirigat ist intelligent, kontrolliert und ausbalanciert, aber in den dynamischen Zuspitzungen zu beherrscht, um wirklich zu erschüttern. Sein Vater, Neeme Järvi, wagte in seinen Mahler-Einspielungen mehr Entäußerung – genau das fehlt hier. Doch dies ist erst der Auftakt des Zyklus. Da ist noch Luft nach oben. Es bleibt die Hoffnung auf mehr Spannung, mehr Überraschungen – und den Mut, Mahlers Gefühlsdichte wirklich auszureizen.

Dirk Schauß, im März 2025

Gustav Mahler

Sinfonie Nr. 5 cis-moll

Tonhalle-Orchester Zürich

Paavo Järvi, musikalische Leitung

Alpha-Classics, ALPHA1127

 

 

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