CD Gustav Mahler Edition Vol. 5: 3. Symphonie in d-Moll – Düsseldorfer Symphoniker, ADAM FISCHER – live Tonhalle Düsseldorf November 2017 – Cavi-music
Adam Fischer ist wie prädestiniert, dieses musikalische Nachzeichnen der Schöpfung in all ihren Facetten auszukosten: Die Dritte, 1902 in Krefeld uraufgeführt, ist eine alle Stufen der Entwicklung in schrittweiser Steigerung umfassende musikalische Dichtung. Es beginnt bei der leblosen Natur und steigert sich bis zur Liebe Gottes. Der Chefdirigent der Düsseldorfer Symphoniker ist bei seinem nicht chronologischen Mahler-Live-Zyklus nun bei dieser längsten Mahler-Symphonie angelangt. In zwei Abteilungen und insgesamt sechs Sätzen baut Mahler eine symphonische Welt, in der Triviales neben Erhabenem steht, eine Altstimme (Anna Larsson) das Mitternachtslied aus Nietzsches Zarathustra sowie der Frauenchor des Städtischen Musikvereins Düsseldorf von himmlischen Freuden, begleitet vom Geläut der Glocken, imitiert von einem Knabenchor (Clara-Schumann Jugendchor), singen darf.
In seinen Reflexionen über das Stück erklärt Adam Fischer den Sinn Gustav Mahlers für Utopien, der sich musikalisch in der Dritten im Adagio manifestiert. Ansonsten ist die Stilistik dieser Symphonie extrem divergent, als ob die einzelnen Sätze aus verschiedenen Schaffensperioden von Mahler stammten: Nach dem ersten Satz, länger als die meisten Beethoven Symphonien, taucht die Stimmung in die Schubert ähnliche Wunderhorn-Welt. Da zitiert Mahler aus eigenen Werken und schafft so seinen eigenen Mythos. Das ist so, als ob in einem großen Roman dieselben Figuren in verschiedenen Geschichten auftauchen. Im vierten Satz kommt die menschliche Stimme hinzu. Kompositorisch scheint sich hier Mahler von der Rigorosität der Taktstriche zu befreien, alles beginnt zu fließen. Adam Fischer sieht das metrische Schema folgerichtig nur als Rahmen. Wenn das zu präzise gespielt wird, verliert die Musik künstlerisch an Bedeutung. Also verzichtet er auf eine allzu genaue rhythmische Zeichengebung, was in Endeffekt mit den auf ihn eingeschworenen Musikern so etwas wie den Furtwängler-Effekt ergibt. Großartig.
Adam Fischer versteht es, in dieser Freiheit instrumentale Details mit klaren Konturen zu versehen und dennoch einen großen Bogen bis zur finalen Vision einer Versöhnung „Kein Wesen lass verloren sein“ zu spannen. Da singen die Engel, nachdem Steine, Blumen, Tier und Mensch ihre mannigfaltigen musikalischen Fussabdrücke hinterlassen haben. Das Orchester folgt den Intentionen des Chefs, spielt atmosphärisch dicht und hoch konzentriert. Der Klang ist bestens ausbalanciert, niemals gleitet er ins Grelle oder Übersteuerte. Eine klassische Interpretation, die wegen der vielschichtigen Deutung mit der von Mahler so bewegend gestalteten Liebes-Botschaft, die der Dirigent und das Orchesters intensiv aufnehmen und an das Publikum weitergeben, berührt und verzaubert.
Dr. Ingobert Waltenberger