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CD GUSTAV MAHLER: DAS LIED VON DER ERDE – Anna Larsson, Stuart Skelton; Adam Fischer; Ca-vi Music

Mahler Edition Vol. VI der Düsseldorfer Symphoniker - Live- Aufnahme vom Jänner 2018 aus der Tonhalle Düsseldorf

08.04.2019 | cd

CD GUSTAV MAHLER: DAS LIED VON DER ERDE – Anna Larsson, Stuart Skelton; Adam Fischer; Ca-vi Music

 

Mahler Edition Vol. VI der Düsseldorfer Symphoniker – Live- Aufnahme vom Jänner 2018 aus der Tonhalle Düsseldorf

 

Die Symphonien Nr. 1, 3, 4, 5, und 7 sind bereits im Kasten, nun ist das „Lied von der Erde“ an der Reihe. Adam Fischer und die Düsseldorfer Symphoniker haben bislang medial zu Recht viel beachtet lebendige und unmittelbar empfundene Mahler-Alben vorgelegt. Esprit und Intuition, Detailverliebtheit und große Bögen, Spiegel des Chaos und liedhafter Sanglichkeit, das rustikal Tänzelnde und in kosmische Stratosphären abhebend Utopische gleichermaßen im Auge, zieht Adam Fischer die Strippen im siebenten Mahler-Himmel. Dabei ist hilfreich, dass sein Orchester auch Oper spielt, eine enge Liaison mit Stimmen eingehen kann. Nach dem Konzert des “Liedes von der Erde” 2018 sprach die Westdeutsche Zeitung von einem “Gesang des ganzen Orchesters”.  So gehört es sich im Miteinander von menschlicher Stimme und Orchester, dass die oder der eine das andere mitdenkt, mittut und umgekehrt. 

 

Wir sind ganz Ohr, wenn Adam Fischer der Musik im “Lied von der Erde” von Anfang an eine spezielle Atmosphäre zugesteht. Fischer: “Auch die Texte die auf fernöstliche Lyrik zurückgehen, sind eher Stimmung: Mahler löst sich immer wieder von den Worten, aber die Stimmung bleibt. Die Musik ist so viel mehr als die Worte. Im dritten Lied geht es um Spiegelbilder im Wasser,  in der Musik sehe ich diese Bilder aber gar nicht. Mahler geht es auch nicht darum, dass man jede Silbe versteht. Und wenn eine Stimme in der Verzweiflung vom Orchester übertönt wird und ganz untergeht, ist das ganz im Sinne der Musik. Der Schönklang ist an vielen Stellen nicht wichtig, im Gegenteil: Im “Lied von der Erde” muss auch deklamiert, gerufen, und geschrien werden. Ich glaube, auch Menschen, die den deutschen  Text gar nicht verstehen, können über die Musik den Sinn des Ganzen genau erfassen. Die Lieder sind schwer zu singen, und auch sonst fordert das “Lied von der Erde” allen Beteiligten alles ab. Es hat zu Mahlers Zeit andere Instrumente gegeben, sie waren wahrscheinlich nicht so laut. So hat ein normaler Wagner-Tenor die Partie singen können. Man muss vor allem auf die Persönlichkeit der Sänger eingehen, ihren natürlichen Rhythmus. Und gleichzeitig darf man kein Risiko scheuen und man muss der Musik ihre große Freiheit geben.“ 

 

Vor allem der vorletzte Satz ist bemerkenswert. Die beiden Solisten mit hoch individuellen Stimmen, deren Eigenart der Dirigent untrennbar mit seiner Interpretation verknüpft, sind der australische Heldentenor Stuart Skelton und die schwedische Mezzosopranistin Anna Larsson. Zwei durchaus unterschiedliche Stimmcharaktere: Er mit metallischer Stentorkraft eines Siegfried, faszinierender Attacke in glänzender Verfassung sowie sie mit dunkel erdig urmütterlichem Timbre einer nordischen Göttin, edler Phrasierung und den Schmerz des Abschieds in düsteren Wohllaut packend. Anna Larsson verfügt über alle Qualitäten eines echten Kontraalts, während Stuart Skelton noch den jugendlich unbekümmerten Drauhauf durchschimmern lässt. Textdeutlichkeit ist beiden ein Fremdwort, aber wir wollen hier einmal fünf für vier gelten lassen. Faszinierend ist, wie sehr Adam Fischer die Instrumentengruppen, bei denen samtig schmeichelnde Obsorge und wild unbeherrschtes  Aufbäumen im Zusammenspiel mit den Solisten launisch abwechselt, bei allen disparaten Kraftentladungen zu einer höheren Einheit zusammenfassen kann. 

 

Ich finde, dass Adam Fischer im Laufe seines Mahler-Projekts immer noch immens dazu gewinnen konnte. Im “Lied von der Erde” atmet jede Phrase das ewige Mysterium von Gesang, immer leiser werdendem Entschwinden und das Echo des allerletzten Gesangs. Die Stimme begegnet uns hier als letzte Apotheose des Trostes in Abschied und Loslösung. „Wohin ich geh’? Ich wandre in die Berge – ich suche Ruhe für mein einsam Herz.“ Unsere Erde offenbart sich in der Weite des Weltalls. Adorno ist nichts hinzuzufügen, wenn er meint: “Auf ihr liegt Schönheit als Widerschein vergangenen Hoffnung, die das sterbende Auge füllt, bis es erfriert unter den Flocken des entgrenzten Raumes.” 

 

Die neue Aufnahme darf als ein Juwel in der umfangreichen Mahler-Diskographie gelten. Da reift etwas abseits der ganz großen Klassik-Zugpferde ein bedeutender und wunderbarer Mahler-Zyklus heran. Überzeugen Sie sich selbst.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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