CD GRIGORI SAMUILOWITSCH FRID: Symphonie Nr. 3, Inventionen für Streichorchester, Konzert für Viola, Klavier und Streichorchester – Capriccio
Der für seine Opern „Das Tagebuch der Anne Frank“ und „Briefe des Van Gogh“ bekannt gewordene russische Komponist Grigori Frid ist auf dieser CD als begnadeter und innovativer Tonsetzer für Instrumentalmusik zu entdecken. Der vielseitige Künstler, er war zudem Maler, Schriftsteller und Professor am Moskauer Konservatorium, darf als „Polystilist“ im selben Fahrwasser wie Schnittke, Denisov oder Gubaidulina bezeichnet werden. Spannend ist, dass Frid 1965 als Teil des Komponistenverbandes den Moskauer-Jugend-Klub gründete, in dem auch Werke gehört werden konnten, die nicht unbedingt den strengen (und absurden) Regeln des Regimes entsprachen. Sein Schicksal kann nur als hart und herausfordernd bezeichnet werden, war die jüdische, den bürgerlichen Intellektuellen zuzurechnende Familie ärgsten Repressalien ausgesetzt. Nicht wenige seiner Verwandten verschwanden in stalinistischen „Säuberungsaktionen“.
Auf der vorliegenden CD werden zwei Werke der frühen 60-er Jahre (Symphonie Nr. 3 für Streichorchester und Pauken Op. 50, Zwei Inventionen für Streichorchester, Op. 46A) und das 35 Minuten lange Doppelkonzert für Viola, Klavier und Streichorchester Op. 73 (1981) vorgestellt. Die Symphonie Nr. 3 wurde im Februar 1965 im Großen Saal des Moskauer Konservatoriums unter der Leitung von Jevgenij Svetlanov uraufgeführt. Zwei Jahre zuvor hatte Shostakovich seine 13. Symphonie geschrieben.
Die musikalische ungemein kompakte Sprache Frids changiert zwischen düsteren wolkenverhangenen Seelenlandschaften, in die sich jedoch immer wieder kurz ein Lichtstrahl hineinzaubert und schicksalshaft im Endeffekt die schaurig schöne Elegie des Lebens singenden langsamen Sätze. Vitale Auflehnung und kraftvolles Wissen um den eigenen unverbrüchlichen Weg nach vorne können in den mechanischen Rhythmen im Allegro energico der dritten Symphonie gehört werden. Kammermusikalische Passagen sind kunstvoll in diese in so vielfältigen Grautönen erklingende Musik verwoben, die jemand geschrieben hat, der einen gnadenlosen Monolog mit sich selbst führt. Die zwei Inventionen für Streichorchester scheinen spannende Geschichten zu erzählen. Ihre flächig zarte Textur bzw. unbezwingbare Energie im Maestoso e risoluto dürften sie auch für anspruchsvolle Filmmusiken prädestinieren.
Das Georgische Kammerorchester Ingolstadt (1990 nach Deutschland übersiedelt) unter der musikalischen Leitung des armenischen Dirigenten Ruben Gazarian ist ein überaus berufener Botschafter dieser vielschichtigen, selbst in ihrer tiefsten Trauer um die Schönheit aller Existenz wissenden Musik. Als Solisten überzeugen Isabelle van Keulen (Viola) und Oliver Triendl (Klavier). Es handelt sich um eine Live-Aufnahme aus dem Festsaal Ingolstadt vom 8. Mai 2018. Großer Repertoirewert und erstklassige Ausführung.
Dr. Ingobert Waltenberger