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CD „GLAUBE, HOFFNUNG, LIEBE“ – SAMUEL HASSELHORN singt Lieder von FRANZ SCHUBERT; harmonia mundi

06.06.2022 | cd

CD „GLAUBE, HOFFNUNG, LIEBE“ – SAMUEL HASSELHORN singt Lieder von FRANZ SCHUBERT; harmonia mundi

„Diese Lieder sollen uns an die wichtigen Dinge und Werte erinnern, die uns in letzter Zeit von Angst, Neid oder Hass verloren gegangen zu sein scheinen. Sie sollen auch Erinnerungen wecken…..“ Samuel Hasselhorn

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Der deutsche Bariton Samuel Hasselhorn ist einer der besten und stilistisch versiertesten Liedsänger der Gegenwart. Gemeinsam mit André Schuen und dem schon älteren Franzosen Stéphane Degout verkörpert er eine Generation an Liedsängern, die sich bei allem Wissen um feinste interpretatorische Finessen und einer bildreichen Wortbezogenheit zuvörderst die Natürlichkeit des Vortrags ins Stammbuch geschrieben haben. Hier klingt noch das komplexeste Kunstlied wie aus dem Moment geboren, wirkt die Einheit des vokal vermittelten Gemütszustands des Sängers mit Text, Melodie und Harmonien des jeweiligen Tonsetzers aus einem Guss.

Samuel Hasselhorn ist dazu noch ein leidenschaftlicher Erzähler, dessen samtig cremiges Timbre mit Croquant für das (früh)romantische Liedgut wie geschaffen zu sein scheint. Also nichts wie ran an Schubert. Für Arte hat Hasselhorn in einer Fernsehproduktion von Schuberts „Winterreise“ mitgewirkt. Im Mai ist sein neues Schubert-Album mit dem Titel „Glaube, Liebe, Hoffnung“ erschienen. Darauf sind Raritäten und allseits bekannte Höhepunkte aus Schuberts Liedschaffen enthalten.

Programmgemäß startet die CD mit dem Lied „Glaube. Liebe, Hoffnung“, D. 955 auf ein Gedicht von Kuffner. Zur selben Zeit entstanden wie die Lieder des „Schwanengesangs“, hat Schubert außer dem Lied eine Chorkomposition geschaffen, der Einweihung einer neuen Glocke der Wiener Dreifaltigkeitskirche gewidmet, in der Beethoven am Tag seines Begräbnisses aufgebahrt war. Eine gelungene Hommage.

Hinter einer idyllischen Fassade hervorlugend, macht sich in den Liedern „Sehnsucht“ D. 636 und „An den Mond in einer Herbstnacht“ D 614 gehörig Dramatik breit. Das Nichterreichen von allzu vielem, für das das Wort Sehnsucht steht, versetzt der Interpreten in einen mächtig rauschhaften Zustand „Nur ein Wunder kann dich tragen in das schöne Wunderland.“ Im so sanften Mondlicht hingegen ist von schrecklichen Geiern, die an der Seele nagen, die Rede, von Tränen, Gräbern und dem Wissen, bald in der dunklen Kammer von des Lebens Müh‘n zu ruhen. Hasselhorn gelingt es eindringlich, dieses Lied zwischen rezitativischer Einfachheit, feinsten Piani und weit geformten Legatobögen mit all den widerstreitenden Empfindungen rund um Trauer und Vergänglichkeit zu durchwirken.

Was mir an dem Album besonders gefällt, ist nicht zuletzt die umsichtige Begleitung durch den Pianisten Joseph Middleton, der sich vor allem in den langsamen Liedern bei hohen Spannungsgraden genügend Zeit lässt, um mit dem Sänger endlose Phrasen zu spinnen, die die Poesie im „Lied eines Schiffers an die Dioskuren“ D. 360 noch einmal toppen.

Arioser geht es in „Totengräbers Heimweh“ D. 842 zu. „Es schwinden die Sterne, das Auge schon bricht“ hat bei aller Zartheit und Magie des Rands zwischen Leben und Tod etwas von Wagners hochromantischer Emphase. Hasselhorn beeindruckt in diesem gebetartigen Gesang durch eine satte Tiefe und wiederum weitausholenden Legatobögen samt einem perfekten canto sul fiato.

Nach „Der blinde Knabe“ D. 833 mit der metaphorischen Frage „Welch Ding ist’s, Licht genannt?“ verzichtet Hasselhorn beim „Erlkönig“ D. 328 auf Drastik in der Nachahmung der Stimmen von Vater, Sohn und Geist. Der erzählerische Faden steht im Vordergrund, dem gruseligen Drama genügen Nuancierungen im eigenen Stimmcharakter.

In „Am Tage Aller Seelen“ D. 343 macht sich jene friedvolle Stimmung breit, die Trost verheißt. Als größtmöglicher atmosphärischer Kontrast folgt die frühe, drängend ungestüme „Rastlose Liebe“ D. 138.

Die schaurige Ballade „Der Zwerg“ D. 771 auf ein Gedicht von Collin, ein „Gefühlsdrama in drei Akten“ mit Königin, Hofnarren und Eifersuchtsmord, ein „Rigoletto in gerade mal ein paar Minuten?“ (Stéphane Goldet) bildet gemeinsam mit „Des Fischers Liebesglück“ D. 933 den Höhepunkt des Albums. Wie in den neun Strophen D. 771 Hasselhorn und Middleton die fatale Geschichte der unerreichbaren Liebe hin auf den unsinnigen Mord fokussieren, während sie in D. 933 den Fischer und sein Feinliebchen – in nächtlicher Liebe vereint – „weinen, und lächeln und meinen“ lassen, „enthoben der Erde, schon oben, schon drüben zu sein“, ist ganz große Erzählkunst, ist Liedgesang allerhöchster Güte, bietet symbiotisches Künstlertum zwischen Stimme und Klavier, Tönen und Schweigen. Generell überzeugt Hasselhorn mit flauschigem Samt im Ton, einer ausgeglichenen Stimmführung und bei der zunehmenden Schwere des Materials mit einer noch immer hohen Agilität in den kleinen Noten.

So kann sich der Hörer mit den lautmalerischen Sechzehnteln von „Auf dem Wasser zu singen“ D. 774 in die Bewegung des Wassers fallen lassen, ein Bad im Gefühl einer kurzen Ewigkeit nehmen, auf dass mit tauigem Flügel die Zeit entschwindet. In ruhiger Melancholie folgt „Nacht und Träume“ D. 827. Das Album endet elegisch mit dem Lied „Abschied“ D. 475 und dem Melodram „Abschied von der Erde“ D. 829.

Ein wunderbar schlichtes Liedalbum eines Könnerduos, das sich ganz im Dienste der Musik und ihrer Möglichkeiten bewegt und auch keine unsinnige Überschrift trägt, wie das heute leider üblich geworden ist..

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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