CD GIUSEPPE VERDI REQUIEM – Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann
Edition Staatskapelle Dresden Vol. 46, Profil Hänssler
Gedenkkonzert vom 13. Februar 2014
Der live Mitschnitt aus Dresden steht ganz in der langen Tradition der Requiem-Aufführungen der Sächsischen Staatskapelle zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945. Zum ersten Mal hat Rudolf Kempe 1951 mit einer Aufführung der „Messa da Requiem“ an die Bombardierung Dresdens im Großen Haus der Staatstheater (heute Schauspielhaus) musikalisch erinnert. Damals war das Stadtbild noch von Trümmerbergen geprägt. „Die Schrecken der Luftangriffe waren immer noch eine lebendige Erinnerung – emotionale und körperliche Wunden des Krieges waren weit davon entfernt, geheilt zu sein.“ Heute sollen die Konzerte auch „die Besinnung auf das Leid, das Tag für Tag in aller Welt durch Gewalt verursacht wird, mit einschließen. Sie stehen umso mehr unter dem Vorzeichen der Versöhnung und Toleranz, der Mahnung und gemeinsamen Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben“ (Torsten Blaich im Booklet). In den Konzerten wird auf Beifall verzichtet, die Konzerte enden in einer Schweigeminute.
Christian Thielemann hat 2014 in der Semperoper Verdis Requiem mit den vereinten Kräften der Staatskapelle und des großartigen Sächsischen Opernchors Dresden musikalisch geleitet. Das Tondokument des MDR ist nun in der Edition Staatskapelle Dresden erschienen. Natürlich entzieht sich ein solches Ereignis eigentlich jeder „normalen“ Kritik. Es darf aber festgehalten werden, dass eine insgesamt würdig kontemplative Aufführung stattgefunden hat, eher kammermusikalisch zelebriertes Oratorium denn „italienische Oper im Kirchengewande“, wenn ein solcher Vergleich gestattet ist. Die dramatischen Höhepunkte der Partitur sind in den von Humanitas getragenen schwarz umflorten Gesamtrahmen eingebunden und krachen nicht – wie sonst oftmals üblich – in martialischer Geste hervor. Die Streicher der Staatskapelle Dresden vollbringen Wunder an samtig schimmernden Klang, die Flöten bieten seraphischen Trost, das Blech trägt mit mattgoldenen Fanfaren zum festlichen Akt bei.
Christian Thielemann erweist sich in dieser Aufführung als eminenter Sängerbegleiter. Das Solistenquartett (Krassimira Stoyanova Sopran, Marina Prudenskaja Mezzo, Charles Castronovo Tenor, Georg Zeppenfeld Bass) vermag Sinn und Inhalt des Werks mit vokalem Glanz und bewegenden Ausdrucksnuancen zu unterlegen. Punktet der weibliche Teil des Solistenquartetts mit üppigen, grandios individuell timbrierten Stimmen (eigentlich glaubt man sich in die Goldenen Sechzigerjahre versetzt), so geht es in der kurzfristig vor dem Konzert wegen Krankheit ausgetauschten Herrenriege stimmlich schlanker zu. Einziger Einwand: Bei den Tenorsoli gehen mir bisweilen Beweglichkeit, schwebende Piani und perfekt projizierte Höhen ab
Der Chor der Sächsischen Staatskapelle als vokaler Hauptakteur arbeitet präzise, homogen in allen Stimmgruppen und durchwegs klangschön. Innerlichkeit und Trost finden hier ebenso ihre Entsprechung wie die gewaltigen apokalyptischen Visionen sowie die final in ein beschwörendes Gebet getauchte Befreiungssehnsucht im „Libera me“.
Trotz der unglaublichen Flut an Aufnahmen im Katalog ist dieser Live-Mitschnitt des „Verdi-Requiems“ nicht nur wegen der außerordentlichen Tonqualität von Interesse. Die einzigartige Stimmung und Botschaft des Konzerts überträgt sich auch auf der CD.
Dr. Ingobert Waltenberger