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CD: GIOVANNI SIMONE MAYR: L’AMOR CONIUGALE • Opera fuoco, David Stern

20.11.2021 | cd

CD: GIOVANNI SIMONE MAYR: L’AMOR CONIUGALE • Opera fuoco, David Stern

L'amor conjugale, Giovanni Simone Mayr – Sortie de disque | Opera Fuoco

Eine theatralische und musikalische Liebesgeschichte zwischen zwei Traditionen

Mit der Einspielung von Mayrs Leonoren-Oper «L’amor conjugale» erfährt die Diskographie Mayrs eine interessante Ergänzung: Im Gegensatz der beim Label Naxos vorliegenden Aufnahme vom Festival «Rossini in Wildbad» 2004 spielt David Stern «Opera Fuoco» auf historischen Instrumenten. Das Feuer für die Oper brennt lichterloh, sowohl beim Orchester «Opera Fuoco» unter Leitung seines Gründers David Stern wie auch bei den Solisten, alles jungen Sänger, die gerade das Konservatorium verlassen haben.

Giovanni Simone Mayr, wie er sich später in Italien nannte, wurde am 14. Juni 1763 in Mendorf im Altmühltal geboren. Bevor er um 1773 einen Freiplatz am Gymnasium der Jesuiten in Ingolstadt erhielt, führte ihn sein Vater, Lehrer und Organist, an die Musik heran. Um 1780 wurde der Bündner Thomas Franz Maria de Bassus, Studiendirektor und Gründungsmitglied des Illuminatenordens, auf den jungen Organisten aufmerksam und förderte ihn nach Kräften. 1787 floh Mayr mit de Bassus, auf dessen Schloss Sandersdorf, wo er als Musiklehrer tätig war, nach Poschiavo. Seit den 1780er-Jahren besass de Bassus hier, im Heimatort seiner Familie, wo er mehrfach das Amt des Podestà bekleidete, eine Druckerei, in der er aufklärerische Schriften und ein eigenes, laizistisches Schulbuch druckte. Unklar ist, wie Mayr dann von Poschiavo nach Bergamo kam. Möglicherweise war sein zukünftiger Lehrer Carlo Lenzi einmal in Bayern und wurde so auf Mayr aufmerksam (Vermerk auf der Lamentazione seconda per il Mercoledì Santo (1771): »di Carlo Lenzi Maestro a Baviera in Germania«.) In Bergamo wurde Graf Vincenzo Pesenti, Musikliebhaber und Mitglied des lokalen Hochadels, Mayrs neuer Förder und schickte ihn 1789, als Mayr mittellos nach Bayern zurückkehren wollte, mit allem Nötigen nach Venedig, um sich dort weiterzubilden. In Venedig widmete sich weiter der Sakralmusik und erhält Unterricht von Fernando Bertoni, Kapellmeister von San Marco. Ermutigt von Komponisten wie Noccolò Piccinni und Peter Winter 1794, begann in der Lagunenstadt Mayrs Karriere als Opernkomponist. Rasch wurde Mayr zum bedeutendsten Opernkomponisten Italiens jener Zeit. Als Mayr 1802 die Kapellmeisterstelle an Santa Maria Maggiore in Bergamo übernehmen konnte, kehrte er, der sich wie es scheint mit dem zeitgenössischen Opern-Business nie anfreunden konnte und in Venedig nicht wirklich heimisch wurde, ins ruhige Bergamo zurück. Hier sollte Mayr, dem erfolglos Theaterdirektionen in Lissabon, Paris, London und Sankt Petersburg, der Kapellmeisterposten in Dresden oder die Leitung des Liceo Musicale in Bologna angeboten wurden, bis zu seinem Lebensende bleiben und sich engagieren. Seit den 1820er-Jahren liess Mayrs Augenlicht nach und entsprechend auch sein kompositorisches Schaffen. Am 2. Dezember 1845 starb Mayr 82jährig in Bergamo. Dreissig Jahre später, 1875 wurden die Särge von Mayr und seinem Schüler Gaetano Donizetti feierlich in die Basilika Santa Maria Maggiore übertragen.

Giovanni Simone Mayr ist der „Missing link“ zwischen der Opera seria des 18. Jahrhunderts und der romantischen Oper und dem Melodramma des 19. Jahrhunderts. Mayr brachte die Wiener Klassik, die französische und italienische Oper seiner Zeit zusammen und schuf einen genuin neuen Stil. Genau dies ist, wie es David Stern im Booklet zur Aufnahme schreibt, auf dieser CD als «theatralische und musikalische Liebesgeschichte zwischen zwei Traditionen, die sich nördlich und südlich der Alpen entwickelt haben». Die Orchestrierung zeigt deutlich Einflüsse von Mozart und Haydn, die Behandlung der Singstimmen ist wie im Quartett «Fra l’orror di questo abisso!» oder dem Duett «Ah, ti stringo al seno omai» purer Belcanto. Natürlich kommt auch Mayrs phänomenale Instrumentationskunst zur Geltung, so zum Beispiel in der virtuosen Flötenbegleitung im Allegro der Scena II «Io sono allegro, io son contento» oder dem Violin-Solo zu Zeliskas Romanza «Una moglie sventurata» in der Scena XV. Kurz: Mayrs Instrumentationskunst und Behandlung der Singstimmen ist eine interessante und bereichernde Ergänzung zum Kanon der Belcantisten Rossini, Bellini und Donizetti und «L’amor conjugale» als genuin italienische Bearbeitung des Leonoren-Stoffs mit seinen Unterschieden zu Paër und Beethoven von besonderem Interesse.

Das Libretto zu «L’amor conjugale» stammt von Gaëtano Rossi (1774-1855), dem wohl wichtigsten Librettisten Italiens in seiner Zeit. Neben zahlreichen Libretti zu Opern Mayrs verfasste er die Libretti zu Rossinis «Il cambiale di Matrimonio», «La Gazetta», «Tancredi» und «Semiramide», zu Meyerbeers «Il crociato in Egitto» und weiterer seiner italienischer Opern sowie zu Werke von Mercadante, Pacini und anderer italienischer Komponisten der Zeit. «L’amor conjugale», uraufgeführt am 26. Juli 1805, ist mittlere der drei nahezu zeitgleich entstandenen, auf Jean Nicolas Bouillys Libretto zu «Léonore, ou L’amour conjugal» von Pierre Gaveaux basierenden Opern von Paër, ihm und Beethoven. Rossis Libretto zu «L’amor conjugale» zeichnet aus, dass er die Figur Jaquinos eliminiert hat und die Umschmelzung der französischer Vorlage mit ihren gesprochenen Dialogen in eine italienische Oper mit Secco-Rezitativen nicht wie Paër den Konventionen der Opera seria folgte, sondern zur Entwicklung einer neuen, wenn auch kurzlebigen Gattung führte.

Die jungen Sänger sind allesamt mit hörbarem Engagement bei der Sache. Das Feuer für die Oper brennt. Chantal Santon-Jeffery leiht ihren recht dramatisch geführten Sopran der Zeliska/Malvino. Die Tongebung könnte etwas sauberer sein, was dann auch der Verständlichkeit dienen würde. Andrés Agudelo lässt als Amorveno einen herrlichen, kraftvollen Tenore di grazia hören. Natalie Pérez gibt die Floreska mit agilem, wunderschön abgedunkeltem und höhensicherem Mezzo. Olivier Gourdy gibt den Peters mit bestens verständlichem Charakter-Baritone Adrien Fournaison singt den Moroski mit prachtvollem, bestens geführtem Bass-Bariton. Bastien Rimondi ergänzt das Ensemble als Ardelao.

Opera Fuoco unter Leitung seines Gründers David Stern spielt die Partitur höchst konzentriert und mit sattem Klang und lässt keine Wünsche offen.

Giovanni Simone Mayr: Absolutes Hörvergnügen!

20.11.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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