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CD GIACOMO PUCCINI: „I CANTI“ – CHARLES CASTRONOVO singt Lieder, für Orchester arrangiert von Johannes X. Schachtner –; BR-Klassik

03.01.2024 | cd

CD GIACOMO PUCCINI: „I CANTI“ – CHARLES CASTRONOVO singt Lieder, für Orchester arrangiert von Johannes X. Schachtner –; BR-Klassik

Hommage als Vorgriff auf den 100. Todestag des Komponisten am 29. November 2024, Ivan Repušić dirigiert das Münchner Rundfunkorchester

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Knapp 15 Jahre ist es her, dass die Edition „I Canti“ der insgesamt sechzehn Klavierlieder Puccinis bei Carus publiziert wurde. Laut Verlag in zweifacher Hinsicht ein Novum: „Zum einen wurden erstmals drei Werke vorgestellt, die entweder über ein Jahrhundert lang verschollen waren (Dios y Patria) oder noch nie in Puccinis endgültiger Gestalt publiziert worden sind (Salve Regina und Ad una morta!). Zum anderen handelt es sich um die erste Kritische Edition dieser Vokalkompositionen überhaupt; aufgrund des konsequenten Vergleiches mit den originalen Quellen konnten zahlreiche falsch tradierte Lesarten korrigiert werden.“

Anlass genug für Johannes X. Schachtner, sich die Klavierauszüge vorzunehmen und die Melodien in ein „orchestrales Gewand“ zu kleiden, das sich einer Puccini-typischen Orchesterbesetzung bedient. Nur für „Salve Regina“ mit einer alternativ für Orgel notierten Version, hat Schachtner eine aus Bläsern, Kontrabass und Pauke bestehende Harmoniemusik gewählt.

Melos, einschmeichelnde Harmonien, liebesschmerzliche Kantilenen, all das, was wir an den Arien Puccinis schätzen, war im Kern auch schon bei den mehrheitlich vom Studenten Puccini geschaffenen Klavierliedern da. Der Genius des italienischen Komponisten für die Kreation unwiderstehlicher Melodien war schon sehr früh voll ausgebildet. Kein Wunder, dass sich Puccini später an die Gelegenheitskompositionen erinnern sollte und manch Thema in das spätere Opernwerk, wie ein besonders markantes aus „Mentìa l’avviso“ zu „Donna non vidi mai“ (Srie des Des Grieux aus „Manon Lescaut“) eingeflossen ist. „Sole e amore“ bezeichnete Puccini selbst als ersten Keim von „La Bohème“. Aber auch Anklänge an „Il Trittico“ werden dem aufmerksamen Hörer nicht entgehen („Inno a Diana“, „Canto d’anime“).

Ergänzt werden die Lieder durch drei symphonische Jugendwerke oder „Opernszenen ohne Gesang“, wie Florian Heurich sie ihrer Bezüge zu Puccinis Bühnenwerken wegen nennt, nämlich ein Preludio sinfonico, ein Capriccio sinfonico und Crisantemi, Andante maestoso, in einer Bearbeitung für Streichorchester von Lucas Drew. Insbesondere im dramatischen Capriccio sinfonico, finden wir melodische Bögen und Elemente, die in Opern wie „Le Villi“, „Edgar“ oder „La Bohème“ wieder auftauchen. Crisantemi, das manchen Kammermusikfreunden als Streichquartett bekannt sein dürfte, hat Puccini 1890 in nur einer Nacht im Gedenken an den Herzog Amadeo von Savoyen geschrieben. Eingängige Themen daraus fanden Eingang in den dritten und vierten Akt von „Manon Lescaut“.

Der amerikanische Tenor Charles Castronovo, der 2023/24 als „Artist in Residence“ des Münchner Rundfunkorchester agiert, geht das Programm beherzt mit geschwellter Brust und großem Opernton an. In seinem Kalender finden sich dementsprechend viele große Verdi- und Puccini-Rollen. Für manch dieser charmanten Kleinode Puccinis hätte ich mir allerdings ein größeres Differenzierungsvermögen gewünscht, mehr Schmelz, mehr Lyrik und weniger Vibrato. Die Höhen fallen bisweilen aus der Gesangslinie heraus, wie etwa der letzte angestrengt klingende Spitzenton in „Morire“.

Dennoch, es ist nach Placido Domingo („The unknown Puccini“) erst die zweite mir bekannte umfassende Aufnahme von Puccini-Liedern durch einen Tenor (von Roberto Alagnas „Morire“ als „Zugabe“ auf der Studioaufnahme von La Rondine einmal abgesehen) und darüber hinaus schon deshalb von großem Interesse, weil die Orchestrierung von Herrn Schachtner so gelungen ist, als stamme sie vom Meister Puccini selbst.

Was weitere erhältliche Aufnahmen anlangt, so wurde ich bei Naxos (Krassimira Stoyanova, Maria Prinz) fündig. Eine (unvollständige) Alternative, nämlich eine CD betitelt „Lieder & rare Stücke“ gibt es mit der Sopranistin Roberta Alexander und Tan Crone am Flügel bei Etcetera. Auch Renata Scotto hatte Puccini Klavierlieder im Repertoire (vgl. die DVD Tokyo Recital 1984 oder eine bei CBS Masterworks erschienene, längts vergriffene LP („Serenata“) aus dem Jahr 1977 mit John Atkins am Klavier, wo sie u.a. Puccinis „Sole e amore“ und „Menti all’avviso“ singt). Am 24.1. wird dann Angela Gheorghiu, begleitet von Vincenzo Scalera, mit allen 16 Puccini Liedern “A te Puccini“ (plus „Melanconia“) bei Signum nachlegen.

Der instrumentale Teil der CD bietet pures Vergnügen. Ivan Repušić lässt das Münchner Rundfunkorchester schmachten, funkeln und blinken. Die Streicher singen sehnsuchtsvoll, die romantischen Stücke baden in italienischem Wohlklang. Das Puccini-Jahr 2024 legt einen beachtlichen Start hin.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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