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CD „GERMAN COUNTERPOINT“ – TRIO MONTSERRAT spielt Werke für Streichtrio von Mozart, Büttner, Heinz Schubert und Schwarz-Schilling; Aldi là Records

27.01.2021 | cd

CD „GERMAN COUNTERPOINT“ – TRIO MONTSERRAT spielt Werke für Streichtrio von Mozart, Büttner, Heinz Schubert und Schwarz-Schilling; Aldi là Records

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Kontrapunktisches für Streichtrio: Das katalanische Kammermusik-Ensemble ist, wie aus den drei Reliefausschnitten auf dem Cover ersichtlich, nach einem markanten Küstengebirge im Hinterland von Barcelona benannt. Für ihr Debütalbum begeben sich die drei Musiker Joel Bardolet (Violine), Miquel Córdoba (Bratsche) und Bruno Hurtado (Cello) im Gegensatz zu den gut ausgeschilderten Wegen zum höchsten Montserrat-Gipfel, dem Sant Jeroni in pittoreskem Gelände, auf wesentlich weniger bekanntes, dafür umso faszinierenderes Terrain.

 

Vor allem die Ersteinspielung der fantastischen „Kammersonate“ von Heinz Schubert aus dem Jahr 1934 ist dem Trio ein Anliegen. Von dem in Dessau geborenen Komponisten gibt es im Katalog kaum etwas. Ein Konzertmitschnitt des „Harmonischen Konzerts“ mit den Berliner Philharmonikern unter Wilhelm Furtwängler, erstaufgeführt am 6. Dezember 1942 in der Alten Philharmonie, ist erhalten; aber wahrscheinlich nur eingefleischten Furtwängler Bewunderern ein Begriff. Als Schüler von Heinrich Kaminski konnte er dessen ins 20. Jahrhundert übertragene, an Bach, Beethoven und Bruckner angelehnte kontrapunktische Formensprache aufnehmen und so ausstaffiert sein eigenes, frei floatendes spätromantisch expressionistisches Idiom entwickeln. Historisch sind für das Verständnis seiner Seelenlage die Hemmnisse des Nationalsozialismus essentiell, zumal Heinz Schubert nicht auf die Liste der sog. „Gottbegnadeten“ gesetzt wurde. Daher galt er nicht als kulturell unersetzlich und musste im Rahmen der Generalmobilmachung des Volkssturms einrücken, in dessen Zuge er im Februar 1945 im Oderbruch starb.

 

Die dreisätzige Sonate trägt in ihrer Mitte eine Chaconne über das chromatisierte Thema des Chorals „Ach Gott. Vom Himmel sieh darein“. Der im letzten Satz auf zwei Fugen folgende finale Apotheose benutzt – wie die Musiker das ausdrücken – eine solche Verdichtung der Harmonik, dass sie im gegebenen Tempo unmöglich zu spielen ist. Daher hat das Trio als Zugabe diese Stelle quasi in Zeitlupe nochmals aufgenommen.

 

Für das Rundherum hat sich das Trio ebenfalls Essentielles einfallen lassen. Paul Büttners aus sieben kontrastierenden Miniaturen bestehende „Triosonate“ aus dem Jahr 1930 erschien erst 1960 in einer Druckfassung. Es handelt sich um „Kanons mit Umkehrungen im doppeltem Kontrapunkt in der Duodezime“. Was vom Wortlaut her so akademisch formal anmutet, ist in Wahrheit ein grandioses, lautmalerisch witziges Werk. Besonders gefallen das ‚Adagio sostenuto‘, aber auch das eine Spieluhr imitierende ‚Vivace‘ bzw. das geheimnisvolle Umkreisen und rätselhafte Drehen, Spiegeln, charmante Werden und Wenden im ‚Andante cantabile‘.

 

Büttner war Schüler von Felix Draeseke, die Uraufführung seiner Dritten Symphonie im Leipziger Gewandhaus wurde 1915 von Arthur Nikisch geleitet. Von vielen erstklassigen Dirigenten wie Schuricht, Keilberth, Busch oder Kempe wurde Büttner vor allem als genialer Symphoniker hochgeschätzt. Nach der Machtnahme Hitlers wurde der Musiker als bekennender Sozialist all seiner Ämter enthoben. Er starb 1943. Wenngleich seine Musik in der DDR eine gewisse Rehabilitierung erfuhr, war es – so paradox es klingen mag – die deutsche Wiedervereinigung, die Büttners Schaffen wieder komplett in Vergessenheit stürzte. Das hat jetzt dank des katalanischen Trios ein partielles Ende. Die CD machte Lust darauf, auch das symphonische Schaffen von Büttner kennenzulernen.

 

Der Hannoveraner Reinhard Schwarz-Schilling steuert die dritte verdienstvolle Zutat bei. Sein 10-minütiges, zweisätziges „Streichtrio“ (1983) ist ein elegischer Schwanengesang voller Reminiszenzen, Naturstimmungen und sanft repetitiver Rhythmen. Ja und für die Einleitung des Albums sorgt ganz und gar untypisch Wolfgang Amadeus Mozart mit seinen Arrangements dreier Fugen aus Bachs Wohltemperiertem Klavier mit langsamen Einleitungen versehen, KV 404a aus dem Jahr 1782. Fern jeder Rokoko-Verspieltheit ist hier eine weitere meisterliche Facette des Salzburger Unikums zu entdecken.

 

Das Trio Montserrat setzt sich mit großer Hingabe, Intensität und einer betörenden klanglichen Schönheit für die sträflicherweise unerkannten Tonsetzer ein. Die Fugen rattern wie geschmiert, das dynamische Miteinander könnte harmonischer nicht sein, Kontraste und Dissonanzen werden voller Leidenschaft ausgekostet.

 

Die Initiative ist umso löblicher, als in den Bereichen Alte Musik, aber auch französische Romantik (Palazzetto Bru Zane) oder italienische Oper (Donizetti in Bergamo, Rossini in Pesaro und Bad Wildbad) schon sehr viel an enzyklopädisch systematischer Aufarbeitung sowie nicht zuletzt an exemplarischen Veröffentlichungen auf Tonträgern zu konstatieren ist. Mit dem Album „Deutscher Kontrapunkt“ wurde auf jeden Fall ein wichtiger Erkundungs-Schritt getan. Da gibt es offenbar eine enorme Lücke zwischen eindeutig „Entarteter Musik“ (die verdienstvolle DECCA-Serie hat dazu viele Ohren geöffnet) und im nationalsozialistischen Deutschland sonst missliebiger Komponisten zu schließen. Hoffentlich sind es nicht nur Spezialisten, die jetzt aufhorchen.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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