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CD GEORGE BENJAMIN/MARTIN CRIMP: LESSONS IN LOVE AND VIOLENCE

Live Mitschnitt aus der Niederländischen Nationaloper Amsterdam vom Juni/Juli 2018; Nimbus

11.06.2019 | cd

CD GEORGE BENJAMIN/MARTIN CRIMP: LESSONS IN LOVE AND VIOLENCE, Live Mitschnitt aus der Niederländischen Nationaloper Amsterdam vom Juni/Juli 2018; Nimbus

Der wohl hipste unter den zeitgenössischen  Opernkomponisten, George Benjamin, hat nach „Into the little Hill“ und „Written on Skin“ 2018 seine dritte Oper in symbiotischer Zusammenarbeit mit dem Librettisten Martin Crimp vorgelegt: „Lessons in Love and Violence“, eine den Mythos von Machtbesessenheit und Machtmissbrauch à la Macbeth weiterführende Geschichte rund um einen König, seine Frau Isabel, seinen Berater und Lover Gaveston, den Militäremporkömmling Mortimer und den Sohn des Königspaars. Uraufgeführt wurde die Oper an der Royal Opera Covent Garden London am 10. Mai 2018 als Ko-Produktion mit den Opernhäusern in Amsterdam, Hamburg, Lyon, Barcelona und Madrid.

Die vorliegende Aufnahme basiert auf Mitschnitten der Aufführungsserie an der Niederländischen Nationaloper in Amsterdam vom Sommer letzten Jahres. Dirigiert hat wie in London der Komponist selbst. Die knapp 90-minütige Oper in zwei Teilen, inspiriert von „Edward II“ des Christopher Marlowe, handelt von Liebe und Verrat, dem exzessiven Eigennutz der politischen Klasse, kaltblütigem Machtstreben und Mord in Zeiten von Hungersnöten und Krieg.

Der verheiratete König liebt einen Mann. Er will gegen alle politische Vernunft nicht seiner verschwenderischen Passion zu Gaveston entsagen, nicht zuletzt weil Militärberater Mortimer aus seiner Verachtung für die Beziehung des Königs kein Hehl macht. Der hierauf entmachtete und enteignete Soldat schmiedet mit der eifersüchtigen Gattin des Königs Isabel ein Komplott gegen Gaveston. Während auf der Bühne ihres privaten Theaters David seine Klage für Jonathan anstimmt, wird Gaveston verhaftet und ermordet. Isabel will in einem Staatsstreich den minderjährigen Sohn krönen lassen und selbst herrschen.  Der Junge wird von Mortimer brutal auf die Probe gestellt, indem er einen Irren, der behauptet, seine Katze hätte ihn den wahren König genannt, vor ihm erwürgt. Inzwischen verführt Isabel Mortimer, damit er auch den König abmurkst. Der nun junge König verbietet Musik und lässt in einem Schauspiel die Verschwörung Isabels gegen den König nachspielen. Als Höhepunkt der Unterhaltung wird Mortimer als der Mann, der für den Tod des Königs verantwortlich ist, hingerichtet. So weit die Handlung.

Die Musik der Oper liegt in der Tradition des zeitgenössischen britischen Opernschaffens. Bei dem zwischen dem Drama der elisabethanischen Zeit  und der dunklen Dämonie von „The Turn of the Screw“ Benjamin Brittens oszillierenden Werk handelt es sich allerdings um keine intime Kammeroper. 70 Orchestermusiker im Graben sorgen in der ouvertürelosen Tragödie für kontrastreich schwarz funkelnde Brillanz, einiges Blitzlicht und huschende Schatten, die Geschichte final mit dem jungen König und eiskalten Machtjongleur wieder mehr in Richtung Gewalt denn Liebe lenkend. Die überwiegend rezitativisch bis vereinzelt arios virtuosen Gesangsparts werden instrumental mit die Seelen der Protagonisten sezierenden Klängen unterlegt. Die vermeintlich „Guten“, der König (Stéphane Degout) als auch sein Lover Gaveston (Gyula Orendt) sind mit tiefen Stimmen besetzt. Die erstklassige Besetzung schließt noch die in höchsten Tönen singende und zu lobende Barbara Hannigan als Isabel, den Tenor Peter Hoare als Mortimer und Samuel Bodenals den jungen König mit ein. 

Das Netherlands Radio Philharmonic Orchestra unter der musikalischen Leitung von George Benjamin sorgt für einen das Unheimliche und Geisterhafte der Szenerie auslotenden, stets transparenten Sound, von Pianissimo ins Volle, die Grenzen zwischen tonal und atonal mit klanglicher Finesse auslotend.  Dieser im Vergleich zu anderen Musiktheater-Uraufführungen musikalisch perfekt kalkulierten und gestrickten Oper Erfolg vorherzusagen, ist nicht weiter schwierig. Dass allerdings sechs Häuser gemeinsam die Oper in Auftrag gegeben und koproduziert haben, scheint mir weniger originell und einfallsreich. Da haben sich einige Intendanten doch weniger für kreatives Risiko, als lieber für die absolut sichere Karte entschieden. 

Fazit: Sehr gute, musikalisch gediegene Aufführung, klangtechnisch exzellent aufgenommen. Die Oper wird sowohl als DVD, Blu-ray als auch wie hier besprochen als CD angeboten. 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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