CD GELOSIA! : PHILIPPE JAROUSSKY singt weltliche Kantaten von A. Scarlatti, Vivaldi, Händel, Porpora und Galuppi; Erato

Hier dreht sich alles um das Laster der Eifersucht. Der französische Altmeister der Countertenöre, Philippe Jaroussky hat sich als Programm für sein neuestes Album fünf Cantate di camera für Solostimme und kleines instrumentalensemble gewählt. Der Name des Albums leitet sich von den beiden Weltpremieren „Perdono, amata Nice“ (La Gelosia) des Neapolitaners Nicola Porpora und „La Gelosia“ von Baldassare Galuppi, beide vom selben Text des Pietro Metastasio inspiriert, ab. Die Protagonisten der Kantaten haben alle eines gemeinsam: Die sich stets wie ein seelisches Monster windende bzw. sich langsam wie ein Gift steigernde Affektenlage der gefühlt eigenen Minderwertigkeit meist angesichts der sich eingebildeten, anbahnenden oder schon vollzogenen sexuellen Untreue eines Partners oder einer Partnerin.
Verwirrung, Einsamkeit, Selbstbezichtigung, Selbstmitleid, Verzweiflung, Wut, Irrsinn. Die Fallhöhe des Pegels der stillen bis lauten musikalischen Offenbarungen und Zustandsbezeugungen ist hoch. Dieses weite Land der Empfindungen haben etliche prominente Komponisten zum Anlass genommen, innovative, emotionsimitatorische Arien zu schreiben und sie in einen klassisch formalen Kontext Rezitativ-Arie-Rezitativ-Arie (samt möglicher Erweiterungen z.B. um eine Sinfonia oder eine weitere Arie) zu stellen.
Philippe Jaroussky stellt nun diese Hits oder Raritäten des Genres im goldenen Spätherbst seiner Sängerkarriere mit dichter Emotion und der ihm eigenen unglaublichen Musikalität vor. Natürlich unter Mitwirkung des fabulös transparent und klangintensiv aufspielenden Ensembles Artaseserse, das vom Sänger auch musikalisch geleitet wird.
Stilistisch decken die Kantaten beinahe das gesamte 18. Jahrhundert ab, d.h. reichen von hochbarocker Virtuosität des jungen Händel („Mi palpita il cor“) und Alessandro Scarlatti („“Ombre tacite e sole“) über Antonio Vivaldis lautmalerisch-tränenflutendes, in Wahn kippendes Meisterstück „Cessate, omai cessate“ bis zu den entsprechend der späteren Entstehungszeit galanter-introvertierteren Versionen der Eifersuchtsschilderungen bloßer Zweifler und Selbstgeißler von Porpora und Galuppi.
Obwohl der kammermusikalische Duktus der Kompositionen stets respektiert wird – das siebenköpfige Kammerorchester rekrutiert sich aus Flöte, zwei Violinen, Bratsche, Cello, Theorbe/ Barockgitarre und Cembalo – kann Jaroussky nicht nur bei Händel aus seiner reichen Opernerfahrung schöpfen. Der für sein sämiges Timbre, das engelhafte Legato, schwebende Piani, unglaubliche Höhen und Intonationsreinheit berühmte Sänger kann noch immer mit seinen berückenden Stimmfarben, einer gut fokussierten Mittellage und funktionierender Höhe begeistern. Allerdings haben vor allem in den unteren Registern die Klangfülle und die Stetigkeit der Tongebung nachgelassen. Auch ist das Vibrato stärker geworden.
Das Ensemble Artaserse spürt den zu Recht bekannten wie auch den beiden ausgegrabenen vokalen Kostbarkeiten des 18. Jahrhunderts mit sanglich fließender Tongebung und beredter Artikulation nach.
Kostprobe: Arie ‚Giura il nocchiere‘ aus Galuppis „La Gelosia“: Link https://www.youtube.com/watch?v=IRVRgh03Icg
Dr. Ingobert Waltenberger

