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CD: GAËTANO DONIZETTI: LUCREZIA BORGIA – Orchestra Giovanile Luigi Cherubini, Riccardo Frizza

24.03.2021 | cd

CD: GAËTANO DONIZETTI: LUCREZIA BORGIA – Orchestra Giovanile Luigi Cherubini, Riccardo Frizza

Ersteinspielung der Kritischen Edition von Roger Parker and Rosie Ward

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Erstklassiger Belcanto

Das Label Dynamic ergänzt die Diskographie der «Lucrezia Borgia» Donizettis um eine auf der kritischen Edition von Roger Parker and Rosie Ward basierenden Mischfassung «Bergamo 2019» (Fassungen der Uraufführung 1833 und der Aufführungen in Paris 1840). Die kritische Edition der Lucrezia von 2019 rekonstruiert nicht nur wie ihre Vorgängerin von 1998 die Fassung der Uraufführung vom 26. Dezember 1833 sondern berücksichtigt auch Donizettis Änderungen der folgenden Jahre, wie Lucrezias Cabaletta «Si voli il primo a cogliere» und Gennaros Arien «T’amo qual s’ama un angelo» und «Anch’io provai le tenere smanie» (erstmals in der originalen Orchestrierung), und stellt drei Finali Donizettis zur Auswahl, eines davon für die nicht aufgeführte «Dalinda» betitelte Bearbeitung für Neapel 1838.

Zur Entstehung der «Lucrezia Borgia» existieren verschiedene Anekdoten, so jene, dass durch ein Missverständnis sowohl Mercadante wie Donizetti beauftragt worden seien oder dass die Allüren der für die Saison engagierten Sopranistin wie Mercadantes Desinteresse am Sujet zur Komposition durch Donizetti geführt hätten. Wie auch immer, Fakt ist, dass zwischen Vertragsabschluss (10. Oktober 1833) und Probenbeginn (3. Dezember 1833) nur gut sechs Wochen lagen und auch Donizetti sich den Wünschen der Sopranistin Henriette Méric-Lalande zu fügen hatte. Wie so oft in der romantischen italienischen Oper in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde ein Pariser Erfolgsstück für die Oper angepasst: Felice Romani adaptierte Victor Hugos am 2. Februar 1833 uraufgeführtes Drama «Lucrèce Borgia». Das fast gleichzeitig entstandene «Le Roi s’amuse» wurde direkt nach der von Auseinandersetzungen zwischen Traditionalisten und Avantgardisten und dem in dessen Folge stark beschädigten Theaterbau Uraufführung verboten. Gut zwanzig Jahre später wurde es dann die Vorlage für Verdis «Rigoletto». Der Anpassung der Vorlage für die italienische Opernbühne fielen prägende Elemente der französischen Schauerromantik zum Opfer, so das Inzestmotiv (Lucrezia hat ihren Sohn mit ihrem Bruder gezeugt) oder der Muttermord Gennaros, und so hat auch das Libretto an Wirkung eingebüsst. Es ist sicher nicht eine von Romanis ersten Arbeiten, was die Kritik von Anfang an bemängelte. Beim Publikum aber war Lucrezia einer der grössten Triumphe Donizettis und brachte es in der Uraufführungssaison auf 33 Folgeaufführungen.

Die vorliegende Einspielung bietet Belcanto allererster Güte und das hochmusikalische Ensemble begeistert mit einer leidenschaftlich dargebrachten, geschlossenen Gesamtleistung. Marko Mimica leiht dem Don Alfonso seinen kernigen, balsamisch strömenden Bass-Bariton («Vieni, la mia vendetta») und überzeugt mit sauberen Höhen und wunderschönen Verzierungen («Qualunque sia l’evento»). Carmela Remigio als Donna Lucrezia Borgia bewältigt die virtuose Arie «Si voli il primo a cogliere» traumhaft sicher und singt ein beeindruckendes Finale. In den Duetten harmoniert sie hervorragend mit ihrem Gennaro Xabier Anduaga. Anduaga besitzt einen wunderbaren, kräftigen Tenore di grazia, den er absolut stilsicher einzusetzen weiss. Wie auch bei Remigio und Mimica sind die herrlichen Verzierungen einer der Vorzüge der Interpretation. Varduhi Abrahamyan ergänzt als Maffio Orsini das Quartett mit ihrem herrlich dunklen Mezzosopran auf absoluter Augenhöhe. Manuel Pierattelli als Jeppo Liverotto, Alex Martini als Don Apostolo Gazella, Roberto Maietta als Ascanio Petrucci, Daniele Lettieri als Oloferno Vitellozzo, Rocco Cavalluzzi als Gubetta, Edoardo Milletti als Rustighello, Federico Benetti als Astolfo und Francesca Verga als Principessa Negroni komplettieren die Besetzungsliste.

Stimmstark und klangschön agiert der Coro del Teatro Municipale di Piacenza (Leitung: Corrado Casati). Das Orchestra Giovanile Luigi Cherubini und die Bühnenmusik des Konservatoriums von Bergamo, besonders die Bläser, brillieren unter Leitung von Riccardo Frizza.

Erstklassiger Belcanto! Man kann sich kaum von der Aufnahme trennen…

23.03.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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